Die einem überkommenen Ökonomie-Modell zugrundegelegte Terminologie von den Produktivkräften Boden - Arbeit - Kapital sollte auch weltanschaulich durch die realere Terminologie Natur - Kreativität - Kommunikation ersetzt werden.

Kapital diente statt dessen historisch gesehen immer als Anreiz zur Gewaltausübung - entweder als Sold oder als Beute.

Das Modell ökonomischer Produktivität beruht auf dem Konzept der Eroberung der realen Produktivkräfte; dabei hat man sich Boden als Territorium und seine Ressourcen, Arbeit als abhängige Dienste und Sklavenarbeit, das Kapital aber als künstliche Darstellung von Macht und Instrument der Regulierung vorzustellen.

Die "Produktivkräfte" Boden, Arbeit, Kapital werden im Sinne einer Kapitalvermehrung und nicht ökonomisch eingesetzt. Auf diese Weise werden sie anti-produktiv. Immanent schwingt der Irrglaube mit, dass allein die Kombination der drei Faktoren ausreichen würde, um zufriedenstellende Einkommen oder die Welternährung sicherzustellen.


Doch es gibt über diese Dreizahl hinaus noch weitere Produktivkräfte.
Beispielsweise die Organisation, wenn man diese nicht der Kommunikation und diese der Kreativität und diese der Natur zuordnen wollte.
Eine weitere äußerst wichtige Produktivkraft, die in der herkömmlichen Ökonomie leider oft vergessen wird, ist Wissen. Neben technischem Wissen auch ein Wissen über gesellschaftliche und ökologische Zusammenhänge.


Auch das Konzept der Investition ist eigentlich nicht auf Kapital angewiesen: in sog. unterentwickelten Kulturen gibt es kaum Kapital zur Investition, sondern allein die Arbeitskraft und die Naturressourcen oder den Boden.

Starkes Bevölkerungswachstum verlangt hohe Investitionen zum Lebensunterhalt, erzeugt allerdings auch Produktivkräfte, die Arbeiter.
Es sollte aber bedacht werden, dass der Ressourcenverbrauch zum Lebensunterhalt dieser Bevölkerung höher sein könnte als ihre Produktivkraft.

Auch in der vorindustriellen Neuzeit herrschte noch keine reine Geldwirtschaft [Boserup 1965]. Die landwirtschaftliche Investition beruhte überwiegend auf Arbeit und traditionellen Werkzeugen, die keine großen Investitionen erforderten.




Weit verbreitet ist die dekadent-reaktionäre Theorie, dass Investitionen nur mit Hilfe geldwirtschaftlicher Anreize getätigt werden könnten, nicht durch persönlichen Arbeitseinsatz oder durch spezifische Kenntnisse.

Entgegen gewissen Erwartungshaltungen zeigten sich vorindustrielle Gesellschaften unzugänglich gegenüber den Versprechungen eines höheren Einkommens [Boserup 1965].
Es soll aber auch gegensätzliche Erfahrungen gegeben haben.

Diese angebliche Verweigerung gegenüber westlichen ökonomischen Standards hat auch als Vorwand für Zwangsarbeit gedient.


Die Heiligung der Produktivkraft Kapital als Machtdemonstration beinhaltet auch, dass die anderen Produktivkräfte missbraucht werden, indem die Arbeit zur Umweltzerstörung eingesetzt wird, und Naturressourcen, insbesondere der Boden, für überflüssige Dinge verbraucht werden.

Nicht der Boden gilt im Sinne der Kapitalvermehrung als produktiv, sondern die BodenZERSTÖRUNG, denn die Zerstörung von Ressourcen und Arbeitskraft vergrößern die Macht des Kapitals, das damit zu einem Negativwert wird.


Der Kapitalvermehrung wird eine geradezu religiöse Bedeutung zugeschrieben. Eigentlich sollte Geld oder der Preis aber niemals mehr sein als ein Maßstab für reale Werte.


Eine realistische Betrachtungsweise würde den Naturhaushalt als relevanteste Prozessgröße einsetzen.

Diesen dem Haushalt menschlicher Bedürfnisse unterzuordnen, ist ein noch verzeihlicher Fehler. Beide aber der Finanzökonomie als relevantester Prozessgröße nachzuordnen, heißt, das Unterste nach oben zu kehren.




Natur und die Ökosysteme besitzen eine wunderbare Produktivität nicht nur an Arten und Formen, sondern auch an Rohstoffen und Nahrung. Diese natürliche Produktivität wurde seit vielen Jahrhunderten mehr und mehr ersetzt durch die zuerst handwerkliche, später gewerbliche Produktivität des Menschen.

Damit wurde zunächst die eingesetzte menschliche Arbeit, ebenfalls eine Naturkraft, zum eigentlichen Maß der Intensivierung.

An der Idee, dass der Mensch durch seine Fähigkeit zu zielgerichteter Arbeit zu seiner Existenzsicherung beiträgt, ist nichts auszusetzen. Auch der kultivierende und pflegliche Umgang mit der Natur ist eine relativ intensive Tätigkeit.


Neben den Produktivkräften der Natur gibt es ohne jeden Zweifel gesellschaftliche Produktivkräfte.

Ähnlich wie Naturkräfte durch die Landwirtschaft in der Neolithischen Revolution verändert wurden, wurden die gesellschaftlichen Kräfte durch Technologien verändert.

Hier unterscheidet man mehrere Stufen der Industriellen Revolution:

  1. die Verstärkung der menschlichen Arbeitskraft durch Maschinen,
  2. die Rationalisierung der individuellen Arbeit (Handwerk) durch industrielle Arbeitsteilung,
  3. die Automatisierung der menschlichen Steuerungsleistung durch Informationstechnologie.


Verkompliziert wurde diese Entwicklung noch durch gewisse industrielle Prozesstechniken:
Nicht mehr werden bestimmte Naturprodukte mit elaborierten Methoden weiterverarbeitet, nun werden Produkte in äußerst labilen Systemen mit Hilfe technisierter Prozesse, künstlicher Substanzen und großer Mengen an Fremdenergie neu erzeugt.

Der Aufwand der Prozessführung zeigt, dass es dabei offensichtlich nicht um eine langfristige Erhöhung natürlicher Produktivität geht, sondern vielmehr darum, Natur- und Arbeitskräfte unter Kontrolle zu bringen oder ganz einzusparen.

Das gilt auch für Bereiche einer Landwirtschaft, in welchen nicht mehr die Produktivkräfte der Ökosysteme durch zielgerichteten Arbeitseinsatz genutzt werden. Die Formen der Natur werden durch artifizielle Substrate und Kultivare ersetzt und die Arbeit durch sehr kostenaufwändige Technologien.


Besonderes Augenmerk ist bei einer naturfernen Produktion auf die Arbeitskräfte zu legen, die einerseits einen Kostenfaktor, andererseits einen Faktor gesellschaftlicher Macht darstellen.
Die Technologien der Jetztzeit wollen nicht mehr lediglich eine Erhöhung der Produktivität erreichen, sondern das Einsparen des Kostenfaktors und die Kontrolle des gesellschaftlichen Machtfaktors produktiver Arbeit.

Gesellschaftlich wird die kurzfristige Arbeitsersparnis höher bewertet als ihre zwangsläufige langfristige Folge, eine Naturzerstörung, die einen enormen Arbeits- und Kostenaufwand fordern wird.
Außerdem ist mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass monopolisierte technologische Produktivität schon vorher den Preis der Arbeitskraft und Kreativität des Menschen auf ein Minimum herunterdrückt.



Quellenangabe


Ester Boserup: The conditions of agricultural growth - The economics of agrarian change under population pressure. London, 1965 (Nachdruck 1993).