Kritik (Fortstzg.)
Rohköstler-Schelte
Wranghams Unterstellung eines Zusammenhangs zwischen reduzierter Sexualität und Rohkostverzehr könnte als eine Art fundamentalistisches Mobbing aufgefasst werden. Schließlich führt sie zu der Annahme, dass Rohkost für das sexuelle Überleben von Naturvölkern, also deren Populationsentwicklung, schwerwiegende Folgen haben würde!
Wobei eine starke oder zumindest stetige Bevölkerungszunahme eher das sexualpolitische Leitbild von Kleinstpopulationen und Sekten bildet als das von größeren Bevölkerungsgruppen und dichten Populationen!
Es wird berichtet, beim Verzehr hochwertiger moderner Rohkost aus dem Supermarkt "nahmen mindestens die Hälfte der befragten Rohkostesserinnen so wenig Energie auf, dass sie physiologisch nicht mehr imstande waren, Kinder zu bekommen."
Doch auch umstrittene subjektive Erfahrungen werden erwähnt, Menstruation und Samenergüsse seien körperliche Abwehrreaktionen, um sich von toxischen Stoffen zu befreien, die durch den Verzehr von Rohkost überflüssig würden ...
Grundsätzlich behauptet der Autor, der Mensch habe die Fähigkeit zur Verdauung roher Nahrung weitgehend verloren, weil sein Verdauungstrakt im Vergleich zu den Primaten stark reduziert worden sei. Mit einer solchen weit hergeholten Leitidee kann er natürlich seine Leser ganz schön verunsichern; sie kommt ja wohl auch einem absoluten Pups-Verbot gleich ...
Aber nicht nur in Notsituationen wird sich der Mensch immer wieder der Rohkost bedient haben, sondern auch bei sich alltäglich bietenden Gelegenheiten; es kann also keine völlige genetische Umstellung stattgefunden haben wie es der Autor suggeriert. Verschiedentlich begegnet man allerdings Menschen, die die Ablehnung von vegetarischer Kost und Rohkost als Ideologie verbreiten.
".. die Festlegung auf Rohkost als Hauptnahrung beeinträchtigt das soziale Leben und kostet viel Zeit in der Küche .."
Diese Formulierung scheint zu beweisen, dass dieses Werk offenbar nicht ganz ernst zu nehmen ist, zumindest aber, dass Richard Wrangham ein eingefleischter Rohkost-Gegner ist ...
Gegarte Kost
Die Verdauung selbst sei ein sehr energieaufwändiger Prozess, der durch gegarte Nahrung erleichtert werde. Die Reduzierung des menschlichen Verdauungsapparates spare "im Vergleich zu den anderen Menschenaffen mindestens 10 Prozent Energie ein".
Der Autor führt einen Versuch mit Ratten an, der die These unterstützt, dass jede Erleichterung der physiologischen Nahrungsaufnahme durch Kochen die Energiebilanz verbessert und bei gleicher Energiezufuhr eine Gewichtszunahme hervorruft. - Ein weiterer Tierversuch ergab, dass das gute Zerkleinern der Nahrung sich ebenso energieeffektiv auf die Verdauung auswirkt wie das Kochen.
Auch das Futter der Haustiere (selbst das der Lachszuchten und Laborinsekten) wird gekocht, weil dadurch höhere Fleisch-, Milch- und andere Leistungen erzielt werden.
Vieles ist aber auch hier einer bewegungsarmen Haltung der Haustiere zuzuschreiben. Damit der Hund nicht verfettet, gebe es "artgerechtes" rohes Futter. Aber der Hund ist kein Wolf mehr, folglich dürfte ihm nach Wranghams Theorie dieses Futter gar nicht mehr zuträglich sein!
Heimischer Herd
Richard Wrangham macht auf einen interessanten Aspekt menschlichen Verhaltens aufmerksam, nämlich dass bei allen Naturvölkern die Frau an den Herd bzw. die Feuerstelle gefesselt sei.
Die Frau bereite die Mahlzeiten zu und der Mann habe davon die größeren Vorteile. Diese Zuordnung der Tätigkeiten scheint unter den Völkern noch allgemeiner verbreitet gewesen zu sein als bei der Besorgung des Wäschewaschens.
Die einzige Ausnahme bei den Naturvölkern sei die Zubereitung der Brotfrucht bei einigen pazifischen Inselvölkern, die eine schwere körperliche Arbeit darstellt (Schälen, Dämpfen, Zerstampfen), die für das ganze Dorf gemeinschaftlich von den Männern ausgeführt wurde.
Man kann diese allgemein übliche Arbeitsaufteilung auf eine patriarchalische Vormachtstellung zurückführen, die unangenehme Tätigkeiten der Frau überlasse. Man könnte diese weibliche Tätigkeit aber auch als matriarchalisches Verhalten interpretieren, nämlich die Besorgung des Haushaltes als wichtigster Teil der Brutpflege, bei der die Männer keine Rolle spielen!
|