Der Lebensraum des Menschen


Lebensraum in rein ökologischem Sinne zu verstehen, scheint keine Selbstverständlichkeit zu sein.

Schließlich werden die Funktionen des menschlichen Lebensraums in der Öffentlichkeit kaum beachtet, oder sie werden der menschlichen Technologie zugeschrieben, also als ein Problem, das technisch gelöst werden kann.


Lebensraum war auch ein Begriff der Geopolitik, der in der Ideologie des Nationalsozialismus verwendet wurde. - Wenn der Begriff Lebensraum eigentlich eine neutrale und kaum verdrehbare Bedeutung hat, so wurde er in der NS-Propaganda doch im Sinne von 'Ausbeutungsraum' verstanden, den die herrschenden Ideologen sich anzueignen berechtigt wären.

Leider wird im Lebensraum der Menschheit, dem globalen Ökosystem mit seinen Ressourcen, von der herrschenden Ideologie anscheinend auch heute wieder nichts als ein Ausbeutungsraum gesehen.


Da es der Mensch ist, der der bestimmende Einflussfaktor für so gut wie alle irdischen Ökosysteme geworden ist, sollte sich auch die Ökosystemforschung vornehmlich um ihn kümmern.
Es geht allerdings um Objektivität bei der Analyse seiner Aktivitäten. - Seine reellen biologischen Bedürfnisse sollten im Vordergrund stehen und nicht so sehr die Technologien und Ideologien, die ihn beherrschen. Um schlimmeres zu verhüten, müssen auch die populistischen, sentimental-mythischen und funktional-ideologischen Überhöhungen seiner Stellung aufgegeben werden.


Zuweilen lassen sich Stimmen vernehmen, die nicht einsehen wollen, dass es einen Biotopschutz für Tiere gibt, wo es doch vielmehr gerade das Biotop des Menschen sei, welches geschützt werden müsse.
Nun, aber selbst dieses Biotop beschränkt sich eben nicht auf die Couchgruppe mit Tiefgaragenplatz, sondern betrifft auch Energie-Ressourcen, die pflanzliche Primärproduktion und ähnliche Dinge.

Weit verbreitet ist eine biologistische Ideologisierung der menschlichen Stellung: weil der Mensch seit unzähligen Generationen integraler Bestandteil einer weltweiten Lebewelt war, sei seine Gestaltung der Umwelt von sich heraus schon ökologisch optimal angepasst.

Gleichzeitig wird der kulturbedingte, anthropogene Charakter dieser Umwelt betont mit dem Argument, dass sie dementsprechend nur eine kulturbedingte und anthropogene Lebewelt hervorbringen und tragen könne ...

Es sind nicht Wenige, die sich sogar zu der Behauptung versteigen, die Natur führe nur ein parasitäres Dasein in der Umwelt des Menschen. Die landwirtschaftliche und industrielle Produktion erfordert einen hohen technischen Aufwand, der nicht durch natürliche Prozesse gestört werden darf.

Der Lebensraum des Menschen wird in diesem Sinne als Kulturraum umgedeutet und dieser menschengemachte Raum sei nur durch Wissenschaft und Technik zu erhalten.
Und ist nicht zu beobachten, dass dieser Kulturraum alles andere als lebendig ist?


Trotz all dieser Einwände bleibt die Erde in ihrem Kern ein Naturstandort. - Wenn der Mensch nur einen Augenblick mit seinen unaufhörlichen Aktivitäten zur Zerstörung der Natur und Neuerrichtung der Kultur aufhören würde, wäre die letztere bald vergessen.


Leider bildet aber gerade das Wissen um die Regenerationsfähigkeit der Natur oft das stärkste Argument für die größten Umweltzerstörungen und -zerstörer.



Kulturlandschaft und Technikfolgen


Immer wieder ist mir aufgefallen, dass es offensichtlich Bestrebungen gibt, eine Abgrenzung von Naturlandschaften als sinnlos aufzugeben, da die Natur überall vom Menschen überprägt worden sei. Das Ziel dieser Überlegungen ist wahrscheinlich, auch Naturlandschaften so intensiv wie möglich zu nutzen - was ihre Zerstörung zur Folge haben muss.


Daher meine ich, dass der Begriff Kulturlandschaft strikter gehandhabt werden muss. Er sollte nicht zur Bezeichnung der Landschaft als Ganzes und auch nicht für extensiv und extrahierend genutzte Landschaften verwendet werden, sondern nur für solche Landschaften, die in der Gegenwart genutzt und auch gepflegt werden. Dann wären auch ehemalige Kuturlandschaften, die sich selbst überlassen wurden und sich heute weiterentwickeln, Naturlandschaften.

Außerdem ist eine zusätzliche Abgrenzung von Technikfolgelandschaften notwendig, die weder natürliche noch kulturelle Elemente enthalten oder nur als Dekoration. - Diese Abgrenzung ist keineswegs als neue Entwicklungsperspektive zu verstehen, sondern als naturwissenschaftliche Betrachtungsweise.

Technikfolgelandschaften hat es schon in der Steinzeit und ebenso in der Antike und im frühen Mittelalter gegeben. Sie wären als Wirkungsraum technischer Prozesse von der Kuturlandschaft als Wirkungsraum des Menschen und der Naturlandschaft als Wirkungsraum nichtmenschlicher Organismen abzugrenzen und zu definieren.



Das Naturideal


Bei Betrachtung der technologischen Realität entsteht der Gedanke, dass in der gefahrvollen und unmenschlichen Wildnis mehr Harmonie herrscht als im Dschungel der Großstadt ...

Der Wunsch nach einer harmonischen Gestaltung der Umwelt bzw. nach der Harmonie einer Landschaft darf nicht missachtet werden - nur hier ist eine Kompensation für das Zerstörungswerk der Technologie zu finden.


In den Gesellschaftswissenschaften pflegt man darüber zu witzeln, wie sehr das Naturbild der lieben Mitmenschen doch ein verklärtes Wunschdenken und Ideal sei. Das Naturideal der Städter entspreche einer Landschaftsmalerei früherer Jahrhunderte, die weder die ungezähmte Natur noch die tatsächlichen landwirtschaftlichen Produktionsverhältnisse wiederspiegelte. Noch weniger wird allerdings die Realität heutiger Siedlungsformen in diesen bukolischen Idealen wiedergespiegelt.
Aber die Harmonie einer ansprechend gestalteten Parklandschaft kann ein durchaus erstrebenswertes Leitbild der Umweltgestaltung sein - warum soll der kreative Umgang mit Landschaft eigentlich zynischen Gesellschaftstheorien geopfert werden?


Umso mehr - derlei Individuen scheinen ja das Säurefass als den größten Komfort zu empfinden - wird darauf gepocht, der Städter dürfe der Landbevölkerung seinen Komfort und seine Infrastruktur (die Zerstörung der Landschaft) nicht vorenthalten.


Der politische Mainstream im Umgang mit den Naturressourcen ist ja folgender: natürliche Lebensräume könnten zu einer Gefahr für Anwohner und die Zivilisation werden. Vegetation oder gar Feuchtbiotope sind die Heimstätte von Zecken, Mücken, Ratten und Füchsen - lebensgefährlichen Krankheitsüberträgern. Vor einer Neuanlage derartiger Freiräume muss also mit Methode gewarnt werden (wie beispielsweise in einem kurzen Beitrag in der Natwiss. Rs. 1999, S.109).

War die Trockenlegung von Sümpfen und die Rodung von Wäldern nicht schon seit jeher der erste Schritt zu großen Kultur-Leistungen? ... und Leistungen sind handfester als Ideale, gerade auch, wenn sie sich gegen einzelne Personen und gesellschaftliche Gruppen richten.


Zwar erzielt eine einzigartige Landschaft mancherorts nicht nur einen ideellen, sondern sogar einen finanziellen Wert - als angemessene Wohnlage für wirtschaftlich leistungsfähige Zeitgenossen! - Aber es geht weniger um Naturästhetik als um die Funktionen der Natur - um die Naturleistungen jenseits gesellschaftlich-ökonomischer Zwänge, technologischer Anforderungen und chemisch-physiologischer Lehrsätze!



Entfremdung


Eine Grundannahme der Anthropologie und Psychologie ist, dass Besitzdenken und der aus demselben entstehende Feudalismus der erste Schritt zur Entfremdung des Menschen von der Natur in ihren positiven Aspekten war.

So wie das Tier seltenen Naturkatastrophen oder den häufigeren Angriffen seiner Fressfeinde ausgesetzt sein mag, so ist der Mensch permanent der Belastung durch Einrichtungen und Erzeugnisse ausgesetzt, die oft entwürdigenden Besitz- und Machtstrukturen entstammen.

Auch ist das Individuum durch seine Einbindung in unnatürliche Verhältnisse wohl kaum zu autonomen Handlungen bezüglich seiner Lebensweise fähig. Selbst wenn ein Kulturmensch plötzlich an einen entlegenen, völlig naturbelassenen Ort gebracht würde, könnte er sich nicht anders verhalten als er es in seinem kulturellen Kontext gelernt hat.


Mentale Hygiene wäre, wenn die Möglichkeit gegeben wäre, sich freizumachen von den beengenden Verhältnissen und negativen Aspekten einer totalitären Kultur - der Zivilisation als umweltzerstörender Technologie ... Wuchernde und sich ungebremst ausdehnende Autostädte, die ihr Umland und jede Natur zerstören, sind der Inbegriff jener parasitären Institution.


Das Gegenargument lautet, es sei viel wichtiger, dass der Mensch sich nicht von der menschlichen Gemeinschaft entfremde denn von der Natur.
Doch sind die technologischen Strukturen so unnatürlich, dass sie auch nicht menschengerecht oder einer menschlichen Gemeinschaft würdig wären. Noch erfüllen sie eine Funktion, nämlich die Substitution der menschlichen Arbeitskraft, so dass der entfremdete Mensch nach Aufgabe eines Großteils seiner körperlichen Tätigkeiten zum bloßen Zuschauer wird. Der zu erwartende Kollaps dieser umweltzerstörenden Strukturen wird eine körperlich auf diese Situation schlecht vorbereitete Menschheit zurücklassen.



Arbeitsteilung und Urproduktion


Ihre besondere ökologische Abhängigkeit hebt die Grünen Berufe, also die Urproduktion, von den meisten anderen gesellschaftlichen Gruppierungen ab, die im Laufe der Geschichte durch Arbeitsteilung entstanden sind.

Die letzteren Gruppierungen sind oft genug zur Auffassung gelangt, sich völlig von natürlichen Ökosystemen abkoppeln zu können. Fast immer in der Geschichte haben sie eine größere Macht über die Urproduktion gehabt als umgekehrt.

Mehr und mehr hat die Manifestation der Arbeitsteilung, die Technik, auch die Macht über die Urproduktion übernommen. Fatal scheint mir dabei zu sein, dass sich jeder einzelne in der Branche Tätige heute mit mehr Technik und Technologie herumschlagen muss als die meisten Stadtmenschen und in der Industrie Beschäftigten. Der heutige Landwirt soll mehr Cyborg als Lebewesen sein.

Und die Technik ist auch der ärgste Feind der Pflanze, auf welcher die Urproduktion beruht, weil nur sie die Gewalten beherrscht und aus der Sonne und den Elementen ihr Leben fristet.


Der Mensch als erzwungenermaßen arbeitsteiliger Konsument wird immer abhängiger von den mit entsprechender Technologie ausgestatteten Massenproduzenten, so dass er auch keinen Einfluss mehr auf die Verknappung und Entartung ihrer Erzeugnisse hat. Man wurde derart von der Urproduktion entfremdet, dass man sich die Herkunft der Nahrungsmittel kaum noch erklären kann. Wir werden mit denaturierten Produkten aus dunklen Quellen versorgt.


Der Agrarraum ist wegen der Hochzüchtung der nutzbaren Pflanzen und Tiere kein Habitat mit autonomen Lebewesen mehr. Und die Denaturierung seiner Ökologie und seiner Erzeugung schlägt sich auch im Wesen des Menschen nieder.

Man kann diese Denaturierung auch positiv als eine Veredlung darstellen, ein Standpunkt, der häufig und penetrant vertreten wurde. Ob es sich da wirklich um eine Verbesserung handelt, sollte man nicht zum Dogma erheben.


Es erstaunt nicht, dass als Markenartikel gehandelt wird, dessen immer noch ziemlich "primitive" Herkunft in einen den Agrarunternehmer fördernden Mantel des Schweigens gehüllt wird. Denn der Kohlkopf hundert Meter weiter an der Autobahn ruft physiologisch suspekte Reaktionen hervor.

Leider wird es den Konsumenten immer gleichgültiger, in welchem heruntergekommenen System sie leben, wenn sie denn wenigstens noch dem Glauben anhängen dürfen, zu leben.



Überall, wo Sie jetzt noch auf diesen Webseiten Google-Werbung sehen - und an vielen anderen Stellen -, könnte IHRE individuelle Information plaziert werden! Alles was ich brauche, ist eine valide Verlinkung, über alles Andere lässt sich verhandeln. - Ich akzeptiere auch Naturalien!