Wald und Sumpfland als natürliche Kohlenstoff-Senken

   

Wälder als C-Senken

Holzplantagen zur C-Sequestrierung?

Sumpfland als C-Senke

Quellenangabe




      "There is sufficient carbon in unused fossil fuels to increase atmospheric CO2 concentrations to well over 1000 ppmv."  
Melvin Cannell 1995  



Solche kreidezeitlichen Kohlenstoff-Verhältnisse dürften für einschneidende Veränderungen des Klimas sorgen.


Seit die Möglichkeit eines katastrophalen Klimawandels in der Öffentlichkeit diskutiert wird, gibt es die verschiedensten marktwirtschaftlichen Vorschläge, die aus diesem Notstand Profit schlagen sollen, ohne die vorhandenen Wirtschaftsstrukturen zu ändern. Der auch für die Finanzwirtschaft profitable Handel mit Emissions"rechten" machte aus CO2-Schleudern plötzlich ökologische Musterbetriebe. Und als weitsichtige ökologische Maßnahme konnte man große Wald- und Agrar-Flächen zur marktorientierten Produktion von Biosprit bereitstellen, damit sich die Autoindustrie auch fürderhin auf reichlich Brennstoffe verlassen kann.

Alle Welt war plötzlich der Überzeugung, dass selbst drastisch erhöhte Benzinpreise das Fahrverhalten nicht deutlich verändern würden. Das reichte offenbar zur allgemeinen Ablehnung einer steuerlichen CO2-Abgabe als Gegenstrategie.

Auch die Förderung der Landwirtschaft mit öffentlichen Mitteln kann leicht mit ökologischen Zielen vermengt werden, und sie hat nicht nur in der EU eine lange Tradition. Derartige Subventionen zur Entwicklungsförderung ohne Umweltverträglichkeitsprüfung sind ein Dorado des lokalen Spekulantentums. Während die EU Projekte zur großflächigen Aufforstung Südeuropas mit  Eucalyptus  förderte, wurden von der Weltbank großflächige  Ölpalmen-Plantagen  zur Biosprit-Produktion vorfinanziert.


Wirtschaftslobby und Politik konnten dabei auf fragwürdige Weise ökonomische Interessen mit ökologischen Erfordernissen vermengen. Dass diese Gleichsetzung der Ziele durch die naturwissenschaftlichen Fakten nicht zu rechtfertigen ist, geht aus einer Fachpublikation von Melvin Cannell hervor: Forests and the Global Carbon Cycle in the Past, Present and Future. Forest Institute, Joensuu, Finland, 1995.
Dieses schmale Bändchen rückt diese wirren Konzepte auf wohltuend sachliche und präzise Weise zurecht und liefert auch einige Grundlagen-Daten, die aber mittlerweile durch die fortschreitende Umweltveränderung überholt sein dürften.


Selbst mit gezielten Aufforstungen und Waldschutz-Maßnahmen zwecks Kohlenstoff-Sequestrierung sind nur bis etwa 15 % der Emissionen aufzufangen. Denn die jährliche C-Sequestrierung in den waldreichen Industrieländern wiegt nur einen kleinen Bruchteil der von ihnen erzeugten Emissionen an fossilen Brennstoffen auf: in Deutschland 2 %, in den USA 6 %, in Finnland 28 %, in Kanada 38 % (ca. 1990) [Cannell 1995].


Alle industriellen und natürlichen Verbrennungsprozesse, die als CO2-Quelle wirken, reduzieren gleichzeitig den Sauerstoff-Gehalt der Atmosphäre.

Vor dem Hintergrund, dass man inzwischen parallel zur CO2-Zunahme auch eine  O2-Abnahme in der Atmosphäre  festgestellt hat, ist die Annahme Melvin Cannells interessant, dass die unbekannte 'missing sink', die (zur Zeit noch) einen großen Teil der C-Emissionen entsorgt, gleichzeitig Sauerstoff freisetze. Demnach müssten es phototrophe Organismen sein, also natürliche Pflanzengesellschaften oder auch agrarische Pflanzenkulturen, die die anthropogenen CO2-Freisetzungen ausgleichen und O2 freisetzen - und nicht etwa anorganische Senken wie das Meerwasser oder die Gesteinsverwitterung.


Fossile Brennstoffe entstammen einer pflanzlichen Primärproduktion und die C-Emissionen dieser Brennstoffe werden der Atmosphäre vor allem auch wieder durch Pflanzen entzogen.

Der Düngeeffekt höherer Temperaturen bei einer Klimaerwärmung könnte zwar zu einer erhöhten C-Aufnahme durch die Pflanzenwelt führen, in den kalten Klimazonen kommt es dadurch aber auf jeden Fall zuerst zu einer Freisetzung der in der Bodenauflage festgelegten C-Verbindungen.



Wälder als C-Senken

Die Kenntnis der Potentiale der Vegetation, Kohlenstoff zu binden, ist notwendig, um die zukünftige Klimaentwicklung abschätzen zu können.

Von den etwa 550 Gigatonnen Kohlenstoff, der in Land-Biota festgelegt ist, sollen sich etwa 360 Gt C oder 65 % in der Biomasse von Wäldern befinden; von den etwa 1500 Gt C in Böden sollen sich 787 Gt C oder 52 % in Waldböden befinden [Cannell 1995].

Holz bildet die eigentliche C-Senke, weniger die sich rasch (in der Natur oder in biotechnischen Anlagen) zersetzende grüne Biomasse! Eine immer wichtiger werdende, wenn auch wenig bekannte Rolle spielen natürlich auch die Böden.



Die nördlichen Wälder Kanadas und Russlands umfassen ein Drittel der Fläche und ein Viertel der Biomasse des Waldes insgesamt.
In Russland wird ein hoher Anteil dieser Wälder nicht bewirtschaftet, so dass sich dort mit 83 t C/ha die dreifache Biomasse verglichen mit Kanada angesammelt hat [Cannell 1995].

Die Mittleren Breiten umfassen ein Viertel der Fläche und ein Sechstel der Biomasse des Waldes insgesamt. Ihnen wird eine höhere Qualität als C-Senke zugeschrieben - wahrscheinlich zu Unrecht -, weil ihre intensive Bewirtschaftung angeblich zu kontinuierlicheren Zuwächsen führe, - aber andererseits wird eine Akkumulation von Biomasse verhindert.


Cannell 1995 vertrat die Ansicht, dass weltweit rund 350 Mio. ha aufgeforstet oder agroforstwirtschaftlich genutzt werden könnten; in den nächsten Dezennien sollten die Schwellen- und Entwicklungsländer ihre Waldflächen um 5 Mio. ha/a ausdehnen. Diese Flächen stehen natürlich nicht ausschließlich der C-Sequestrierung zur Verfügung.

Auch bei gezielter Planung und Kontrolle solcher Aufforstungsprojekte kombiniert mit dem Schutz vorhandener Wälder könnten nach Einschätzung des Autors in den nächsten 60 Jahren nur etwa ein Achtel (15 %) der Emissionen aus fossilen Quellen sequestriert werden. Das erscheint zwar wenig, ist aber angesichts der gewaltigen Menge an Emissionen ebenfalls eine gewaltige Menge.



Holzplantagen zur C-Sequestrierung?

Es wird oft suggeriert (auch in biologischen Lehrbüchern), es sei sinnvoll, alte Naturwaldbestände durch raschwachsende Holzplantagen zu ersetzen, die ihre Produktivität einem hohen CO2-Verbrauch verdanken.

Naturwälder speichern aber sehr viel mehr Kohlenstoff als Neupflanzungen - dasselbe gilt für Naturlandschaften mit einem Mosaik verschiedener Entwicklungs- und Störungsphasen [Cannell 1995].

Landwirtschaftliche Anbaufrüchte mögen erst nach Erreichen einer maximalen C-Akkumulation geerntet werden, Holzplantagen werden dagegen schon lange vor einer maximalen und dauerhaften C-Speicherung abgeholzt.


Es wird also angenommen, dass gezielte Pflanzungen zur C-Sequestrierung in ihrer Jugendphase, besonders in einem Alter von 30 - 60 J. eine deutliche C-Senke bilden, während sie danach durch Zerfallsprozesse unter C-Freisetzung in ihrer Wirkung immer stärker nachlassen würden.

Eine wirklich effektive C-Sequestrierung würde allerdings erst durch Nutzung des Einschlag-Holzes als Baumaterial zur Substituierung von Zement erreicht werden.

Nach der Einschätzung des Autors gehen jedoch zwei Drittel des Potentials als C-Senke von Naturwäldern im plantagenmäßigen Anbau verloren. Verdeutlicht wird dies durch die nachfolgende Grafik.

Besonders schnell wachsende Arten, die zu sehr langlebigen Produkten (Möbel, Bauwerke) verarbeitet werden, könnten diese Bilanz leicht verbessern. Doch bleiben die Wahlmöglichkeiten geeigneter Baumkulturen dabei sehr begrenzt.




Verfremdung einer Kopie aus Melvin Cannell 1995



Cannell et al. 1992 haben die Effektivität als C-Senke von Naturwald und Holzplantagen mit europäischen Baumarten simuliert. Dabei dürfte es sich zwar nur um eine Modellrechnung handeln, denn Freilandexperimente in Hinblick auf eine Klimaveränderung waren vor 80 Jahren bestimmt nicht vorgesehen, doch sind die forstökonomischen Daten für Europa gut belegt.

Buchen-Eichen-Wald speichere 28 kg/m² C im Holz, 2 kg/m² C in der Streu und 7 kg/m² C im Boden. Bei der Holzentnahme entfallen oder vermindern sich die C-Senken Streu und Boden.


Die C-Effektivität von Holzplantagen hängt vor allem von der Lebensdauer der Produkte ab. - Erst ab einer Produkt-Lebensdauer von 420 Jahren entspreche die Holznutzung eines Kunstwaldes mit 80-jährigem Umtrieb dem Speicherpotential des europäischen Naturwaldes.
Produkte mit einer solch langen Lebensdauer gibt es nicht - höchstens in Form weniger alter Kirchlein Skandinaviens oder einiger buddhistischer Tempel Asiens!

Doch lasse sich die C-Effektivität durch schnellwachsende Pappeln so sehr steigern, dass schon eine Produkt-Lebensdauer von 72 Jahren dem Speicherpotential von Naturwald entspreche. Gerade aus Pappelholz lassen sich aber keine Produkte mit langer Lebensdauer herstellen.

In der zweiten und letzten Reihe der Grafik entsprechen die obere und die untere Linie dieser Lebensdauer von 420 und 72 Jahren.


Kurzfristige Holznutzungen von weniger als 10 Jahren wie etwa als Zellstoff zur Papierherstellung stellen überhaupt keine C-Sequestrierung dar. Dennoch wurden von der EU Eucalyptus-Plantagen zur Zellstoff-Erzeugung beispielsweise in der Estremadura gefördert.

Bestimmte Holzprodukte haben eine längere Lebensdauer als sie zu ihrer Entstehung benötigen. Hier stellt also der Einschlag zum Zeitpunkt maximalen Zuwachses selbst eine sinnvolle C-Sequestrierung dar, weil damit sogar eine natürliche Zersetzung des alternden Bestandes verzögert wird. - Bei der selektiven Entnahme in naturnaher Bewirtschaftung wird außerdem Raum für Neuzuwachs geschaffen.




Sumpfland als C-Senke


Die nacheiszeitlichen Sumpfländer der hohen Breiten haben bei ihrer Entstehung als C-Senken gewirkt, weil unter anaeroben Bedingungen wenig C zersetzt wird - das anaerobe Zersetzungsprodukt in Sümpfen und Mooren ist Methan in geringen Mengen.

Bei der Drainierung solcher Sumpfländer zwecks Aufforstung wird der gespeicherte Kohlenstoff unter Sauerstoff-Zufuhr in einer Größenordnung von 5 - 300 g/m²/a C freigesetzt (veratmet).

Die Aufforstung mit Koniferen erbringt aber nur eine Sequestrierung von 14 - 25 g/m²/a C.

Lebende Sümpfe sollen dagegen eine C-Akkumulation von 40 - 70 g/m²/a erreichen.

Und allein die Sümpfe der hohen Breiten sollen etwa ein Fünftel des gesamten in den Böden gespeicherten Kohlenstoffs enthalten, also etwa 300 von 1500 Gt C.


Deshalb war nach Meinung M. Cannells von einer Aufforstung von Sumpfländern abzuraten. Allerdings war diese in Westeuropa längst vollzogen:
Zumindest die skandinavischen Wälder bestanden bereits zu Beginn der 90er Jahre zum größten Teil aus Monokulturen - vor allem in Finnland, dessen überwiegend von Wald bestandenen Flächen zu 95 % als Monokultur angelegt waren [Hutter/ Keller/ Ribbe/ Wohlers 1993].

Der Raubbau an borealen und tropischen Wäldern drückte die Zellulose-Preise. Um dennoch Erträge zu erwirtschaften, mussten immer größere Mengen verarbeitet werden.
In Finnland wuchs in den künstlichen Wäldern mehr nach als verbraucht wurde; trotzdem wollte die Oberste Forstbehörde auch die letzten verbliebenen Urwälder an der nördlichen Waldgrenze abholzen [Hutter/ Keller/ Ribbe/ Wohlers 1993].



Quellen

M.G.R. Cannell / R.C. Dewar / J.H.M. Thornley: Carbon flow and storage in European forests. (in: A. Teller / J.N.R. Jeffers: Responses of forest ecosystems to environmental changes. London/ New York, 1992)

Hutter/ Keller/ Ribbe/ Wohlers: Die Ökobremser - Schwarzbuch Umwelt Europa. 1993.

Melvin Cannell: Forests and the Global Carbon Cycle in the Past, Present and Future. Forest Institute, Joensuu, Finland, 1995.




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