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Nahrungszubereitung als Grundlage menschlicher Kultur


Richard Wrangham: Feuer fangen - Wie uns das Kochen zum Menschen machte. München, 2009.

Originaltitel: "Catching Fire - How Cooking Made Us Human."



Kritik

Hier wird die Theorie verbreitet, die ganze Evolution des Menschen beruhe in Wirklichkeit auf der Verarbeitung von Nahrung durch Kochen, womit impliziert wird, dass Rohkost für die Ernährung des modernen Menschen im Gegensatz zu der des Affen nicht geeignet sei.

Der Verdacht kommt auf, dass dieser Entwicklungschub mit industrieller Verarbeitung in Verbindung gebracht werden soll ähnlich wie behauptet wird, der moderne Mensch müsse Auto fahren und sich in Zukunft mit künstlichen Genen und virtueller Intelligenz fit halten.


An der Überlegung, dass es kein gutes Leben ohne arbeitsteilige Lebensmittel-Industrien geben könne, ist durchaus etwas Wahres dran. Es wäre aber auch eine Sicherstellung der Versorgung mit naturnahen Produkten auf arbeitsteiligem Weg möglich, und es sollte eine freie Entscheidung bleiben, ob jemand etwas frisch oder verkocht verzehrt.

Für die simple Rechnung, Nahrung nur zu kochen, wenn dies unbedingt notwendig ist, scheint der Autor unzugänglich zu sein. Er scheint an die seltsamen Kreationen gewöhnt zu sein, die ihm in Restaurants bzw. Restaurantketten vorgesetzt werden, während ich darauf hinweisen muss, dass mir diese weder schmecken noch bekommen.


Eine ähnliche vereinfachende Dogmatisierung wäre, wenn man behaupten würde, die Evolution des Menschen beruhe darauf, dass er sich durch Bekleidung und Behausung schütze. Zwar war die Vertreibung aus dem Paradies mit einem Kleider-Gebot verknüpft; andererseits ist allgemein akzeptiert, dass ein wenig Freikörperkultur der Gesundheit durchaus zuträglich sein kann.

Warum war die Vertreibung aus dem Paradies nicht mit einem Koch-Gebot verknüpft, nicht einmal mit einem Behausungs-Gebot? Und im Paradies selbst kommt das Feuer gar nicht vor.


Bei diesen Techniken zur Erleichterung des Überlebens handelt es sich wohl nicht um obligatorische körperliche Anpassungen, sondern vielmehr um einen optionalen Werkzeuggebrauch.
Evolutionsbiologisch wäre es für den Menschen besser, sich wieder an Rohkost zu gewöhnen, da bei sehr hohen Populationen die Energie für das Kochen knapp werden könnte.



Wrangham kann eigentlich nur ziemlich abgelegene oder obskure Quellen (wie die Reiseberichte von Vilhjámur Stefánsson) anführen, die keine direkten Beweise seiner Theorien liefern. Vielmehr weckt er durch seine Darstellungsweise Gedanken-Assoziationen, die seine Thesen durchaus überzeugend bestätigen.


Andererseits kommt es manchmal zu Aussagen, die sich direkt widersprechen. Dabei geht es auch noch um einen zentralen Punkt seiner Theorie - die angenommene erhöhte Energieausbeute durch Kochen!
Tatsächlich scheint es zu diesem scheinbar selbstverständlichen Sachverhalt kaum wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zu geben; Richard Wrangham erwähnt sie jedenfalls nicht.

Seine Theorie lautet: Erhitzen erzeugt eine Veränderung der Konsistenz der Nahrung. Er beschreibt die Veränderung von Stärke und erwähnt die Denaturierung der Proteine; dadurch erhöhe sich die Energiemenge, die aufgenommen werde.
Im selben Zusammenhang (Kapitel "Die Energietheorie des Kochens") räumt er aber ein, dass durch Erhitzen unverdauliche Moleküle entstehen können, wodurch natürlich die Energieausbeute aus Kohlenhydraten und Proteinen verringert würde.

Widersprüchlich bleibt auch, dass die durch Hitze erzeugten Maillard-Verbindungen (z.B. Acrylamid) für andere Lebewesen krebserregend sein sollen. Der Autor meint, der Mensch habe sich wohl bereits an diese angepasst.

Gerade die Kernaussage seines Buches, dass gekochte Nahrung energiereicher sei als naturbelassene Nahrung, ist keineswegs unumstritten. Auf der anderen Seite wird ein ebenso wichtiger Aspekt, nämlich der hygienische Nutzen des Kochens, gar nicht angesprochen.



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