Die Autogesellschaft -
Kultur ...
Die freie Meinungsäußerung, das Kennzeichen der Demokratie, fordert dazu heraus, auch einmal Meinungen zu äußern wie: „Mit der pauschalen Kriminalisierung aller schnell fahrenden Kraftfahrer unterstützen Sie die gesellschaftliche Tendenz zu weiterer Intoleranz, Besserwisserei und populistischen Wertmaßstäben.“
Wir müssen auch die enormen Erkenntnisse anerkennen, die alle Sparten der Wissenschaft und Forschung der Projektentwicklung der Autoindustrie (... es muss doch möglich sein, sich bei 200 - 300 km/h einen zu blasen, ohne durch Unfallopfer behelligt zu werden ...) verdanken!
Da soll auch nicht die schon seit vielen
Jahren grassierende schöne Kulturblüte des sehr großen
Geländewagens vergessen werden, die ich dank eines alten Zeitungs-Ausschnittes aus der
Wochenzeitung "DIE ZEIT" dokumentieren möchte:
Diese Kulturerscheinung stammt aus Amerika. Dort gibt es Pickups seit knapp einem Jahrhundert. - Neu ist lediglich, dass die Geländewagen der Luxusklasse teurer sind als so manche kleine Farm und meistens von Menschen gefahren werden, die keine körperlichen Arbeiten ausüben. Auch im Rheinland fährt der Erfolgreiche gerne einmal in einem Fahrzeug, das höher und breiter ist als die Gassen seines Heimatortes. Marco Pantani hält sich genau an die Regeln, wenn er seine Heimat mit einem Panzer durchstreift. Immerhin hatte er es im Radsport zu etwas gebracht, und daran ließ er seine Nächsten teilhaben.
In dem enorm folgerichtigen und ritualisierten Ablauf des geschilderten Vorgangs zeigt sich, dass sich die westlichen Autokulturen endlich wieder den Kulturstufen des japanischen Samurai-Wesens und des malaiischen Amoklaufes annähern.
... oder Kult ?
Die Unterordnung des Geistes unter die Maschine wurde durch die öden Filme Stanley Kubricks vorbereitet: die Maschine wird zum intelligenten Wesen idealisiert, während der Geist vor Langeweile stirbt.
Mir persönlich missfällt besonders das neue abstoßende Design der modernen Autowelt. Bunt und rund wie Lutschbonbons verkleben die Killer-Maschinen das Interieur der ganzen Welt. Warum wird ihnen jede persönliche Note, jedes menschliche Maß verweigert? Ihr Design soll ein starkes Signal setzen – das Signum der Materie ohne Geist, die nicht beherrscht werden kann. Das Produkt heißt nicht umsonst Automobil. Zum Design gehören auch die auf den
höchsten, unerträglichen Pegel gestellten
Lautsprecher-Anlagen, die nichts als Bum, um, um, um, - bum,
um, um, um, - bum, um, um, um, - bum, um, um, um, -
bum, um, um, um, - bum, um, um, um, - bum, um, um, um, - bum,
um, um, um, - bum, um, um, um, - bum, um, um, um von sich geben. Diese Geräusche bilden sicher den
idealen Hintergrund für mentale Gesundheit und
rücksichtsvolles Verhalten.
Glaubt man manchen Medien, so befindet sich ein
großer Teil der jüngeren Generationen
ständig unter dem Einfluss von Amphetaminen. Allerdings
können der Autoverkehr und die miese
Qualität dieser Medien ähnliche Wirkungen hervorrufen
... Als neue kulturelle Dimension kam im zugegeben recht heissen Juli 2007 der Selbstmord-Autofahrer hinzu, der möglichst viele Mit-Autofahrer mit nimmt in den Tod. Vielleicht besteht hier ein neurologischer Zusammenhang zum Phänomen des Falschfahrens bei geriatrischen Hirnkrankheiten.
Kult und Humanität scheinen sich ebenso
gegenseitig auszuschließen wie Kult und
Spiritualität; aber darüber streiten sich die Geister.
Copyright © 21.7.2007 St. Th. Hahn
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