Literatur-Hinweis


Charles Cockell (ed.): An Introduction to the Earth-Life System.
Cambridge (UK), 2007/ 2008.



Geologie, Kohlenstoff und Klima

Anthropogene Klimaänderung

Geologische Rückkoppelungseffekte

Meeresspiegel

Gebirgsbildung

Vulkanismus

Ausblick in ein Treibhausklima





Geologie, Kohlenstoff und Klima


"most geoscientists saw life as a mere passenger on a dynamic and evolving earth"  
Nigel Harris: Chapter 3 - "Plate Tectonics, climate and life"  


Die heutigen Geologen beschäftigen sich vorwiegend mit der Lagerstättenkunde und der Ausbeutung von Bodenschätzen.
Die Weitergabe des Wissens um die biologischen Vorgänge, die diesen Lagerstätten zugrunde liegen, dürfte von ihnen als wenig lohnend angesehen werden.

Allerdings mussten sie sich bei der Suche nach Öl auch mit Stratigrafie und Geochronologie beschäftigen und sogar mit Mikro- und Makrofossilien, die Hinweise auf Ressourcen-führende Schichten geben.

Es ist erfreulich, dass endlich auch dieses geologische Wissen über die Umweltbedingungen früherer geologischer Epochen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und in einem allgemeinverständlichen Lehrbuch aufbereitet wird, das gleichzeitig dem Verständnis der heutigen menschengemachten Klimaveränderung dienen kann.


Der Kurs beginnt im ersten Kapitel mit einer schlüssigen Darstellung der Wetter- und Klima-bestimmenden Vorgänge in der Lufthülle des Planeten. Es wird Wert auf den Aspekt der biologischen Umweltveränderung über den Kohlenstoff-Kreislauf (zweites Kapitel) gelegt.

Alle Autoren sehen im Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre die Ursache von Klimaveränderungen und nicht in den Schwankungen des solaren Strahlungshaushaltes durch die Milankovitch-Zyklen.


Trotzdem liegt das Gewicht dieser Skripte-Sammlung zu einseitig auf langfristigen geologischen Prozessen.

Die anthropogene Freisetzung von CO2 ist ein kurzfristiger Prozess ebenso wie die CO2-Festlegung bzw. -Pufferung durch die Vegetation und den Ozean.

In keiner Weise den Anforderungen und Erwartungen entspricht daher leider das fünfte Kapitel "Emergence of life", das die Rolle der Landpflanzen als CO2-Senke nicht einmal erwähnt. Die erd- und klimageschichtlich bedeutende Rolle, die die Entwicklung einer Vegetationsdecke hatte, wird aber an anderer Stelle gewürdigt.

Von großem Interesse sind die beiden abschließenden Kapitel, die einen Vergleich einschneidender Klimaveränderungen der Erdgeschichte mit der heutigen Situation ermöglichen.

Das Lehrbuch ist mit ausgezeichneten Grafiken ausgestattet wie der folgenden, die die Quintessenz der Klimageschichte des belebten Planeten darstellt.


Grafik: Klimaveränderungen seit dem Kambrium


Künstlerische Retusche einer Kopie aus "Nigel Harris: Chapter 3 - Plate Tectonics, climate and life"



Die geologischen Prozesse, die einem langfristigen Kohlenstoff-Kreislauf und damit der langfristigen Klimaentwicklung zugrundeliegen, werden vornehmlich von Nigel Harris behandelt.

Der Autor kann sich nicht zu dem Urteil durchringen, dass die anthropogenen Kohlenstoff-Emissionen einen akuten Klimawandel hervorrufen werden; doch ergibt sich diese Schlussfolgerung allzu offensichtlich aus dem allgemeinen Kontext.

Gerade die kurzfristige Wirkung großer Mengen freigesetzten Kohlendioxids auf das Klima ist kaum in Zweifel zu ziehen. Die beschriebenen geologischen Prozesse stellen lediglich über einen Zeitrahmen, der jenseits der menschlichen Konstitution liegt, das Gleichgewicht zwischen astronomischen, geologischen und biologischen Faktoren wieder her.



Anthropogene Klimaänderung durch Kurzschließen des Kohlenstoff-Kreislaufs

Die Atmosphäre als vergleichsweise kleiner Kohlenstoff-Speicher kann durch Veränderungen der C-Flüsse verändert werden (Richard Corfield: Chapter 2 - "The Carbon Cycle").

Es gibt aber mehrere sehr mächtige Gleichgewichts-Reaktionen des globalen Systems - vor allem der Austausch von anorganischem Kohlenstoff mit dem Ozean.

Eine starke Erwärmung des Klimas würde diese ozeanische C-Senke schwächen; durch verstärkte Verwitterung (von Silikaten) würde allerdings eine andere Senke (Kohlensäure-Verbrauch) an Einfluss gewinnen.


Den bekannten jetzigen Kohlenstoff-Emissionen der Menschheit steht eine parallele Kohlenstoff-Zunahme in der Atmosphäre von weniger als der Hälfte gegenüber.

Es existieren also von den bisherigen Kreislauf-Modellen nicht erfasste, unbekannte zusätzliche Senken. Andererseits zeigt der anwachsende CO2-Gehalt der Atmosphäre, dass ein Gleichgewicht der C-Flüsse nicht mehr besteht.


Während die Klimaveränderungen früherer Erdzeitalter in hohem Grad vom Kohlenstoff- und Kohlendioxid-Ausstoß der Vulkane hervorgerufen wurden, soll sich die gegenwärtige jährliche CO2-Freisetzung durch Vulkanismus mit etwa 65 Mio. t/a nur auf 0,3 % der anthropogenen CO2-Freisetzung belaufen (Nigel Harris: Chapter 3 - "Plate Tectonics, climate and life").




Geologische Rückkoppelungseffekte beeinflussen das Klima


Als Beispiel für die in diesem Kompendium behandelte Geologie-fixierte Thematik möchte ich hier auf die von Nigel Harris beschriebenen Rückkoppelungseffekte näher eingehen.

Eine positive Rückkoppelung verstärkt einen bestehenden Prozess (wie die Klimaschwankungen der Erdgeschichte), eine negative Rückkopplung neutralisiert ihn.



Meeresspiegel

Das Abschmelzen Grönlands allein würde den Meeresspiegel um 7 m, das Abschmelzen der Antarktis würde ihn zusätzlich um etwa das zehnfache anheben.

Andererseits würden diese Wassermassen die ozeanische Kruste um ca. 20 m absenken (negative Rückkopplung), so dass der Meeresspiegel effektiv nur um 50 - 60 m ansteigen würde.

Abschmelzende Eismassen sind es allerdings nicht allein, die den Meeresspiegel beeinflussen, sondern auch plattentektonische Veränderungen der Landmassen. Als Regel kann man sich merken: die Zusammenballung vieler kontinentaler Platten führt zu einem niedrigen Meeresspiegel, die starke Ausdehnung der kontinentalen Platten wie in der Kreidezeit führt zu einem hohen Meeresspiegel.


Foto Pfingsthochwasser 2013


Keine Angst, das ist nicht das ansteigende Meer, sondern die Folge starker Regenfälle, die von der Verdunstung des Mittelmeeres herstammen.


Der Wasserstand der Meere verändert über die Fläche auch die Höhe der chemischen Verwitterung in der Art einer positiven Rückkoppelung: Bei dem niedrigen Wasserstand der Eiszeiten entzog die Silikat-Verwitterung der Atmosphäre große CO2-Mengen, bei dem hohen Wasserstand der Warmzeiten wurden der Atmosphäre geringere CO2-Mengen entzogen.

Andererseits wurde über den Meeresspiegel auch die Größe der Sumpflandschaften verändert, die bei hohem Wasserstand durch Kohlebildung eine C-Senke darstellten. Ebenso wurde bei hohem Meeresspiegel durch Ausdehnung der Flachmeere auch die CO2-Festlegung in den Schalen mariner Lebewesen erhöht.
Hierbei handelte es sich um negative Rückkoppelungen, die sich im Gegensatz zu den vorigen ausgleichend auf die Klimaentwicklung auswirken.



Gebirgsbildung

Im Kapitel "Mountains and climate change" befasst sich Nigel Harris mit der in größerer zeitlicher Nähe liegenden Klimaabkühlung in der Erdneuzeit (Känozoikum). Als Arbeitsthese wird angenommen, dass die Klimaabkühlung seit dem Tertiär ausschließlich [!] auf eine CO2-Abnahme zurückzuführen sei - und zwar in einer Größenordnung von mehr als 85 % des atmosphärischen Kohlendioxid-Gehalts der Kreidezeit.

Ursache dieser langfristigen Klimaveränderung soll verstärkte Gebirgsbildung und die von ihr hervorgerufene CO2-verbrauchende Silikat-Verwitterung gewesen sein.

Dieser globale Klimawandel im Tertiär wird mit der Orogenese des Himalaya in Verbindung gebracht, obwohl die Entstehung des Himalaya vor Ort durch die Verstärkung des Monsuns eine eher Temperatur-erhöhende Wirkung hatte.


Sauerstoff-Isotop-Analysen benthischer Foraminiferen in Tiefsee-Sedimenten zeigen, dass die Temperaturen vor Ort seit der Kreide um fast 18°C gesunken sind.


Grafik: Temperaturabfall seit der Kreidezeit


Künstlerische Verfremdung einer Kopie aus "Nigel Harris: Chapter 4 - Mountains and climate change"



Die Kollision Indiens mit der eurasischen Platte soll erst vor etwa 50 Mio. Jahren stattgefunden haben. - In Tibet wurden 70 Mio. Jahre alte Kalkstein-Sedimente gefunden, wie sie in Flachmeeren entstehen.
Süd-Tibet soll schon vor 15 Mio. Jahren annähernd die jetzige Höhe gehabt haben, die nördlicheren Bereiche Tibets sollen etwas später aufgefaltet worden sein.


Bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass sich die Lage der übrigen Landmassen am Ende des Mesozoikums (in der Kreidezeit) schon weitgehend stabilisiert hatte, ist die außerordentliche Breite der kreidezeitlichen tiefen Tethys zwischen dem indischen Kraton weit im Süden und den Flachmeeren Asiens, die später durch die Kollision aufgefaltet wurden.

Und die Theorie, dass der Druck dieser Platten-Kollision den gewaltigen Raum Zentralasiens in - geologisch gesehen - sehr kurzer Zeit auf seine jetzige Höhe anhob, ist eigentlich kaum glaublich; wahrscheinlicher wäre, dass es hier schon vor der Kollision Hochländer gegeben hat.


Tibet ist ein ausgedehntes Plateau mit wenig bewegtem Relief. An seinem südlichen und östlichen Rand liegen die Quellgebiete der meisten großen Flüsse des südöstlichen Asiens.

Natürlich waren diese randlichen Gebiete durch die plattentektonischen Auffaltungen der jüngeren geologischen Geschichte besonders betroffen. Sie sind dementsprechend bis heute einer starken Erosion unterworfen: obwohl das Einzugsgebiet dieser Flüsse nur 5 % der Erdoberfläche umfasst, fallen hier fast ein Drittel der weltweit von den Flüssen transportierten chemisch gelösten Stoffe an.

Es wird daher die Theorie vertreten, dass die bei der Entstehung des Himalaya anfallende Silikat-Verwitterung, bei der atmosphärisches CO2 als einwirkende Säure in Bicarbonat umgewandelt wird und gemeinsam mit dem Silikat in Lösung geht, die Ursache der Klimaabkühlung war. Gelöste Carbonate werden von ein- und vielzelligen Meeresorganismen in ihren Gehäusen eingebaut und schließlich als Sedimentgestein festgelegt.

Der Prozess der Himalaya-Auffaltung soll aber auch die Primärproduktion des Ozeans als Kohlenstoff-Senke erhöht haben:
- durch Verwitterung und Auswaschung von Nährstoffen,
- durch Entstehung vom Monsun bewegter Auftriebszonen des Ozeans.


Gebirgsbildungen wirken sich demnach durch Verbrauch von atmosphärischem CO2 und durch positive Rückkopplungen destabilisierend auf das Klimasystem aus. - An anderer Stelle dieses Buches werden die Auswirkungen der Gebirgsbildungen Pangäas erwähnt, die die Ursache der Perm-Vereisung sein könnten.



Vulkanismus

Einen gegensätzlichen, also ausgleichenden Rückkopplungseffekt soll dagegen der Vulkanismus im Mesozoikum gehabt haben.

Der durch vulkanische CO2-Anreicherung der Atmosphäre erzeugte Treibhauseffekt und der vulkanische Schwefelausstoß riefen nämlich ebenfalls eine verstärkte chemische Verwitterung hervor. - Die CO2-Bindung dieser Verwitterungen brachte als negative Rückkopplung zur allgemeinen Klimaerwärmung ein relativ stabiles Klimasystem hervor.


Die Theorie des 'GEOCARB model' geht davon aus, dass es die in der Zeit seit 110 Mio. bis vor 70 Mio. Jahren nachlassende vulkanische Aktivität war, die mit dem atmosphärischen CO2 auch die Temperatur verminderte. Dieses Modell vulkanischer CO2-Quellen zeigt eine starke Übereinstimmung mit der spätkreidezeitlichen Klimaabkühlung.




Ausblick in ein Treibhausklima


Insgesamt ist es sehr zu begrüßen, dass hier eine recht verständliche Behandlung geologischer Prozesse unter Bezugnahme auf die anthropogene Klimaänderung versucht wird und sogar geglückt ist.

Der Schwachpunkt dieser Überlegungen ist, dass eine möglicherweise katastrophale Klimaveränderung (Dürren, umkippende Ozeane) schon längst eingetroffen wäre, wenn die Silikatverwitterung als geologische C-Senke Wirkung zeigen würde, und gleichzeitig infolge der globalen Zerstörung der Vegetationsdecke keine Erhöhung der Primärproduktion als Kohlenstoff-Puffer mehr erfolgen könnte.

Wem sollte es nützen, wenn in tausend Jahren geologischer Prozesse die anthropogenen C-Emissionen weniger Wochen notdürftig einige Zentimeter tief in der Erdkruste verschwinden?

Die bekannten kurz- und mittelfristigen C-Senken (Landvegetation und Ozean) sind dagegen aller Wahrscheinlichkeit nach und entgegen aller "blauäugigen" Annahmen nicht unbegrenzt aufnahmefähig für den CO2-Ausstoß der menschlichen Technik.

Die auch unter tropischen Bedingungen nur bis zu einem gewissen Grad mögliche Erhöhung der pflanzlichen Primärproduktion würde die organische Masse vergrößern, die unter Säure-Freisetzung zersetzt wird; diese Säuren würden die bestehenden Kalkverbindungen in Boden und Gestein zersetzen - die C-Senken vergangener Zeitalter ...

Ebenso wie die Landvegetation wird auch der Ozean bei einer starken Klimaerwärmung durch Herabsetzung seiner Löslichkeit für Gase zu einer zusätzlichen Kohlenstoff-Quelle.





Copyright © 14.6.2013, St. Th. Hahn; Korrektur am 15.5.2014.
All Rights reserved.

www.umweltschutz-vegetation-agrar.de