Ist der Weltozean eine Kohlenstoff-Senke?


Wissenschaft und Wissenschaftler dienen oft weniger der Wahrheitsfindung als bestimmten Branchen und Weltbildern.

In der Zeitschrift 'Naturwissenschaftliche Rundschau' beschrieb der Emeritus Bert Küppers 1998 ein schlüssiges Modell des doppelten Kohlenstoffkreislaufs der Erde ("Biogene Kalkbildung und Kohlendioxid-Emission"; 51.Jg., S.459).

Das geschah aber wohl nur zu dem Zweck, mit Hilfe seiner Darstellung, der ozeanische Kreislauf könne als Bioreaktor praktisch jede Kohlenstoff-Emission schlucken, Optimismus zu verbreiten und zum "Weiter so, wie bisher!" aufzufordern.




Kalkbildung als Grundprozess

Zwei Kohlenstoff-Kreisläufe

Schnellentsorgung

Die Ozeanische Senke

Folgerung

Quellen



Mittelmeer vor Sardinien


Das Mittelmeer vor Sardinien bei Oristano, April 2017.



Kalkbildung als Grundprozess


Ein ähnlich wichtiger biochemischer Grundprozess wie die Photosynthese, die die Erdatmosphäre mit Sauerstoff angereichert hat, sei die Erzeugung von Calciumcarbonat (CaCO3) gewesen, die der ursprünglichen Erdatmosphäre das Kohlendioxid entzogen habe:

CO2 + H2O -> 2 H+ + CO3--
CO3-- + Ca++ -> CaCO3

Dieser Vorgang verlief ursprünglich wohl auf rein chemischer Grundlage. Das Kohlendioxid (CO2) der heißen Uratmosphäre soll von den Ozeanen absorbiert und als Kalkstein ausgefällt worden sein [Feige/ Jensen 1995].

Doch können darüber hinaus verschiedene Meeres-Organismen wie Foraminiferen, Mollusken und Korallen aus den im Meerwasser reichlich vorhandenen Ca-Kationen Kalkskelette (Exoskelette) bilden, die bei ihrem Absterben zu geologischen Sedimenten werden; Foraminiferen generieren auch Magnesiumcarbonat.

(Die gewaltigen geologischen Kalkablagerungen der Foraminiferen lassen darauf schließen, dass sie in einer CO2-reicheren Atmosphäre, als sie sogar im Karbon-Zeitalter existierte, ihre eigentliche Blütezeit hatten.)


In dem Beitrag von Bert Küppers wird für den heutigen Ozean immer noch eine biogene CO2-Festlegung in Kalkskeletten von 20 Gt jährlich angenommen. Das wäre in der Tat fast die dreifache Menge der jährlichen CO2-Emissionen.

Unklar bleibt, ob und mit welchem Anteil die marine Kalkbildung bei den Berechnungen der ozeanischen Produktivität überhaupt berücksichtigt wird. Bei einer Nettoprimärproduktion des Meeres von insgesamt 55 Gt/a [Lieth/ Stegmann 1995] müssten die marinen Organismen nach grober Schätzung noch einmal soviel Kalk erzeugen wie sie nach den Angaben von Küppers Kohlendioxid festlegen; und dann müssten praktisch alle Meeresorganismen Kalkbildner sein!


Von anderer Seite wurden geologisch-chemische Prozesse als Ursache für die relativ langsame Klimaerwärmung trotz hoher C-Emissionen angenommen (hierzu meine Webseite ). Dagegen ist biogene Kalkbildung eher als Prozess langdauernder vergangener Erdzeitalter bekannt ...



Zwei Kohlenstoff-Kreisläufe


Die Freisetzung von Kohlendioxid durch den gegenwärtigen untermeerischen Vulkanismus von 0,5 Gt/a CO2 [Küppers 1998] ist zwar viel größer als die des terrestrischen Vulkanismus, liefert im Vergleich zu der angenommenen biogenen ozeanischen Festlegung von 20 Gt/a CO2 aber nur einen kleinen Anteil der Quellen.

Durch die biologischen Prozesse im Karbon und Perm (Entwicklung der Landpflanzen) war es zu einer bedeutenden Festlegung von Kohlenstoff in der Biomasse gekommen. 200 Mio. Jahre später in der Kreidezeit war es hingegen zu einer starken Freisetzung von anorganischem Kohlendioxid durch Vulkanismus gekommen. [Feige/ Jensen 1995]


Der aktuellen Biosphäre stehen keine gigantischen atmosphärischen CO2-Vorräte mehr zur Verfügung wie bis zum Karbon. Das Kohlendioxid ist daher notwendigerweise in einen permanenten biologischen Recycling-Prozess aus CO2-Aufnahme durch die Photosynthese und O2-Abgabe durch Veratmung und Verwesung eingebunden.

Damit wäre auch die seit vielen Millionen Jahren stabile CO2-Konzentration der Atmosphäre zu erklären. Auch nach der von Bert Küppers vorgestellten Theorie verbrauchen die autotrophen Organismen ständig den gesamten in der Atmosphäre vorhandenen gasförmigen Kohlenstoff.

Allerdings kann auch auf rein physikalisch-chemische Weise von den Ozeanen 60 mal soviel Kohlendioxid aufgenommen werden wie von der Atmosphäre [Küppers 1998]; auch diese gewaltige Senke sorgt für die Stabilität der atmosphärischen Zusammensetzung.

Ein ozeanischer CO2-Gehalt von 2000 Gt erhalte die Grundlast mikroorganismischen Stoffwechsels, die ursprünglich vom untermeerischen Vulkanismus gespeist wurde [Küppers 1998].


Der Autor erarbeitet das Modell zweier geschlossener CO2-Kreisläufe, die des ozeanischen und des atmosphärischen Systems, die auf völlig unterschiedlichen Lebensstrategien beruhen, nämlich dem mikrobiellen Stoffwechsel des Meeres und der Photosynthese der Landpflanzen.

Nach seiner Theorie ist es die Fähigkeit ozeanischer Mikroalgen, auf ein sich erhöhendes CO2-Angebot mit hyperexponentiellen Vermehrungsraten zu reagieren, die eine konstante Ist-Konzentration des Kohlendioxids gewährleistet [Küppers 1998].

Die erwähnten ozeanischen Kalkbildner sollen dabei als eigentlicher Stabilitäts-Faktor wirken, weil sie das von den autotrophen Algen gebundene und wieder freigesetzte CO2 dauerhaft festlegen (oft auch im Rahmen einer Nahrungskette).



Schnellentsorgung


Da die neuzeitlichen enormen CO2-Überschüsse aus fossilen Brennstoffen auf rein physikalischem Weg von den Ozeanen aufgenommen werden, folgert der Autor, dass sie daraufhin durch den dargestellten mikrobiellen Stoffwechsel entsorgt würden.

Dieser Prozess sei verfahrenstechnisch leicht nachzustellen als "Regelstrecke mit Speicherverhalten" (der Ozeane).
Der CO2-Verbrauch der Kalkbildner sei der "integral, das heißt zeitverzögert wirkende Regler", und die von ihnen erzeugten Karbonate der Output des Verfahrens.


Im Ozean wäre nach dem Konzept von Bert Küppers bei einem pH-Wert von 7,8 - 8,2 genügend Calcium vorhanden, um sämtliche vohandenen fossilen Brennstoffe in eine Schicht von 1 - 2 cm Calciumcarbonat auf dem Grund des Ozeans zu verwandeln.

Ein solcher Prozess ist in einer sehr fernen geologischen Vergangenheit und über sehr große Zeitspannen vorgekommen, kann aber wegen des Wissens um die gleichzeitig in der Erdgeschichte aufgetretenden starken Klimaschwankungen und Massenextinktionen keine ausreichende Rechtfertigung für die besinnungslose Freisetzung sämtlicher fossiler Kohlenstoff-Vorräte sein, wie sie die jetzige US-Administration durchsetzt.


Keinerlei Beachtung findet hier die Empfindlichkeit der als C-Senke missbrauchten Organismen (auch der Landpflanzen). Das zeigt auch das Great Barrier-Riff vor Australien, von dem trotz des vorgelegten Verfahrenskonzeptes bereits große Teile dem Klimawandel zum Opfer gefallen sind.



Die Ozeanische Senke


Andererseits wäre es natürlich wichtig, zu einem so bedeutenden Sachverhalt wie einer möglichen unerschöpflichen ozeanischen CO2-Senke die notwenigen Datengrundlagen zu erarbeiten.

Möglicherweise geht der Autor Bert Küppers von bloßen Wunschvorstellungen aus.

Er redet von einem "lichtdurchfluteten Ozean", obwohl nur sehr kleine Teile seines in der Tat gigantischen Volumens dem Licht zugänglich und damit produktiv sind.

Die Algenzonen mit einer den Landpflanzen vergleichbaren Produktivität nehmen nur eine Fläche von weniger als einem Prozent der Meeresoberfläche ein [Lieth/ Stegmann 1995].
Die Nettoprimärproduktion der Ozeane entstammt daher zu knapp vier Fünfteln dem offenen Meer mit extrem geringer Produktivität und ist insgesamt weit geringer als die der terrestrischen Ökosysteme [Lieth/ Stegmann 1995].

Noch deutlicher ist die Information, dass die Gesamtbiomasse der Ozeane nur etwas mehr als 0,2 % von der der Kontinente erreicht [Goodie 2002; Tab. S.417]. Trotz des hohen Kohlenstoff-Umsatzes der ozeanischen Mikroalgen bilden sie eine viel zu geringe Masse, um relevant zu sein. Auch kalkbildende Korallenriffs und Stromatolithen wachsen bekanntlich extrem langsam.


Man muss sich daher fragen, wie man dann zur Auffassung gelangen konnte, die marinen Organismen seien eine größere C-Senke als die terrestrischen. - Das sieht stark nach Lobby-Arbeit für anachronistische Industrien aus.


Auch von Feige/ Jensen 1995 wurde ein sehr viel höherer ozeanischer als terrestricher Kohlenstoff-Umsatz angenommen. Doch bedeutet ein hoher Umsatz gleichzeitig die erneute CO2-Freisetzung durch die Meeresalgen, wohingegen die Hälfte der jährlich durch Photosynthese der Luft entzogenen 100 Gigatonnen Kohlenstoff auf dem Land dauerhaft festgelegt wird.
Auch bleibt in der Darstellung von Feige/ Jensen der Anteil der jährlichen ozeanischen Festlegung in Kalkskeletten völlig unerwähnt.


Der Kohlenstoffgehalt des Kohlendioxids in der Atmosphäre beträgt inzwischen (nach Anreicherung durch fossile Brennstoffe) 720 Gigatonnen.

Die Weltmeere stellen einerseits durch den hohen Kohlenstoff-Umsatz der Algen in Höhe von etwa 250 Gt/a, andererseits auch durch den der gelösten und ausgefällten Carbonate (HCO3- und CaCO3) in Höhe von etwa 110 Gt/a einen bedeutenden Puffer zur Stabilisierung des Kohlenstoffs in der Atmosphäre dar [Feige/ Jensen 1995].

Im Gegensatz zu den marinen Primärproduzenten haben die Landpflanzen eine bedeutend längere Lebensdauer. Die Verweilzeit des C beträgt in Landpflanzen, auch wenn viele Pflanzenteile sehr viel schneller abgestoßen werden, durchschnittlich mehr als 10 Jahre, danach noch 40 Jahre im Detritus etc., und ist damit 750 mal so lang wie in den marinen Mikroalgen [Feige/ Jensen 1995].



Folgerung


Das Modell eines ozeanischen Reaktors ist nicht mehr als eine Fiktion, die urzeitliche Lebensbedingungen suggeriert, in denen einfachste Lebensformen eine neue Atmosphäre schufen.

Doch möchte ich nicht durch gekaufte Wissenschaft auf einen Schlag in eine solche geologische Umwelt versetzt werden.


Die heutige Atmosphäre ist in einer späteren Epoche als die der Kalkbildner durch die weiter entwickelten Landpflanzen mit einem viel leistungsfähigeren Stoffwechsel geschaffen worden.

Es wäre besser, sich mehr um Wälder und Naturräume und um zusätzliche Aufforstungen zu kümmern, anstatt sich blauäugig auf die Bewohner des Urozeans als C-Senke zu verlassen.

Allerdings wird die Klimawirksamkeit der terrestrischen Vegetation scheinbar dadurch in Frage gestellt, dass sie sowohl durch die Eiszeiten der jüngsten Erdgeschichte als auch durch den Menschen des Holozän stark unterdrückt wurde.

Dennoch und trotz der immer mehr um sich greifenden Technosphäre bleibt sie nach wie vor die wichtigste Produktivkraft der Erde - ein Wunder angesichts nicht enden wollender Kolonnen blinder Conductoren, die ihre fossilisierte Energie um jeden Preis verbrauchen und ihre lebendige Manifestation auf jede Art vertilgen.


Die verfügbaren Vorräte an fossilen Brennstoffen beliefen sich nach damaliger Kenntnis mit 4000 Gt etwa auf die sechsfache Menge des atmosphärischen Kohlenstoffs (720 Gt).
Die durch den Menschen freigesetzte Menge bewegte sich dagegen nur in der Größenordnung von 5 Gt/a durch fossile Brennstoffe und 2 Gt/a durch Brandrodung, wovon die Hälfte durch das Puffersystem der im Weltmeer gelösten Carbonate aufgefangen werden konnte. Doch selbst die verhältnismäßig kleine Restmenge von 3 Gt führte zu einer Zunahme des Kohlendioxids in der Atmosphäre um 1,5 ppm pro Jahr. [Feige/ Jensen 1995]


Der ozeanische Reaktor zeigte also ganz andere Reaktionen als die von Küppers 1998 beschriebenen.



Quellen


G.B. Feige/ M. Jensen: Kohlenstoff-Kreislauf [in: W. Kuttler (Hg.): Handbuch zur Ökologie; 2. Aufl.. Berlin, 1995.]

Helmuth Lieth/ Susanne Stegmann: Produktion [in: W. Kuttler (Hg.): Handbuch zur Ökologie; 2. Aufl.. Berlin, 1995.]

Bert Küppers: Biogene Kalkbildung und Kohlendioxid-Emission [in: Nw.Rs. 51.Jg. [1998], S.459]

Andrew Goudie: Physische Geographie; 4.Aufl.. Heidelberg/ Berlin, 2002.

Nigel Harris: Chapter 3 - "Plate Tectonics, climate and life" [in: Charles Cockell (ed.): An Introduction to the Earth-Life System. Cambridge, 2007/ 2008.] {-> hierzu Besprechung auf meiner Webseite ! }