Agrarressourcen



Grundlagen der Agrarverfassung der Mittelmeerländer



Frühzeit
Römische und mittelalterliche Agrarverfassung
- Die Mezzadria
Die heutige Agrarstruktur
Quellenangaben




Frühzeit

Donatella Magri legt eine Analyse von 7 Pollenfundorten der Italienischen Halbinsel seit dem Ende der Eiszeit vor, und zwar auch unter Berücksichtigung des ersten Auftretens von Edelkastanien und Walnussbäumen als Kulturpflanzen [Magri 1997].

Überraschend sei, dass der Pollenbefund Italien während des Holozäns (der Nacheiszeit) als ein dicht bewaldetes Land ausweist. Indikatoren landwirtschaftlicher Aktivität sind dagegen selten und erst seit 2500 Jahren, also seit römischer Zeit, allgemein verbreitet.

Natürlich ist bekannt, dass sich die neolithische Kulturstufe vornehmlich entlang der Küsten des Mittelmeeres ausbreitete und nicht im Bergland, woher die meisten Pollenanalysen stammen. - Auch die Stromtäler Mitteleuropas waren schon seit Ausbreitung der Bandkeramiker vom Balkan her, also seit rund 7000 Jahren, zu einem neolithischen Entwicklungszentrum geworden; trotzdem hat sich das kaum in dem dortigen Pollenbefund niedergeschlagen. Die Rodungen konnten während dieses klimatischen Optimums wohl kaum mit dem Wachstum der Wälder Schritt halten.


An nahezu allen untersuchten Pollen-Fundorten in Italien sei 3700 - 3500 J.v.h., also in der Mitte des 2. Jt.v.Chr. ein klimatischer Umschwung festzustellen, nämlich der Rückgang der Walddecke [Magri 1997]. Zu dieser Zeit hätten auch die mittelitalienischen Seen sehr wenig Wasser geführt, so dass die dortigen bronzezeitlichen Siedlungsplätze später überflutet wurden.

Auf die durch eine Klimaabkühlung verursachten trockeneren Witterungsbedingungen, die sich besonders stark auf die Bewohner der kontinentalen Grasländer ausgewirkt haben sollen, werden von vielen Historikern einschneidende kulturelle Veränderungen zurückgeführt.

Ganz im Gegensatz zu anderen Gegenden, wo man sich bescheiden mit Selbstversorgung und Hackbau begnügte, sollen die Besitzverhältnisse in Europa weitgehend auf der militärischen Raubwirtschaft berittener indogermanischer Stämme beruhen. -
In den gebirgigen Mittelmeerländern dürften Pferdehalter aber noch weniger als in kontinentalen Steppen ein Auskommen gefunden haben. Bestenfalls für Ziegen und Schafe werden hier mit zunehmender Trockenheit günstigere Bedingungen bestanden haben.


Die Zuwanderung der Dorer um 1200 v.Chr. soll die rasche Degradation der südgriechischen Halbinsel Attika durch Überweidung zur Folge gehabt haben. Das führte zur Auswanderung vieler von Hunger bedrohter Bewohner an die Küsten des Mittelmeeres. Wenn auch das nachdorische Athen durch die Lieferungen seiner Kolonien ernährt werden konnte, so verschlangen doch seine Flotten die Wälder Griechenlands.

Die antike Mittelmeerkultur beginnt ab dem 8. Jh.v.Chr. mit Entstehung der griechischen Stadtstaaten und Kolonien, aber auch der etruskischen und römischen Staatswesen. [Griffith 2001]
Neben Massalia soll auch St. Tropez als Athenopolis eine griechische Exklave gewesen sein [Bleicken 1963].




In Italien lebten mehrere indogermanische Viehhirten-Stämme, die mit der Villanova-Kultur im Appennin in Verbindung gebracht werden, die 1300 - 900 v.Chr. mitsamt Pferd und Wagen in Italien erschienen sein soll [Griffith 2001].

Ein Grundsatz des Hirtenlebens war, dass bei Erschöpfung des Weidelandes neues durch Eroberung gewonnen werden musste. Die Ressourcen an Land seien bereits zu jener Zeit so knapp gewesen, dass sich Nachbarn zwangsläufig als Feinde betrachteten (- selbst wenn nach außen hin freundlicher Umgang gepflegt wurde).


Auch Jochen Bleicken redet von einer "Indogermanisierung" Italiens durch die expansive Urnenfelder-Kultur aus Mitteleuropa seit 1100 v.Chr.. Der Druck der Reiterkultur der Steppe habe sich zuerst auf die Lausitzer-Kultur und die Illyrer ausgewirkt. Die Illyrer besiedelten Venetien und Apulien und eine versprengte Gruppe sogar Sizilien. [Bleicken 1963]

Eine andere Gruppe bronzezeitlicher Einwanderer waren die Italiker, die über die Alpen gekommen sein sollen. Zu diesen gehörte auch das kleine Volk der Latiner, während die Hauptgruppe die sogenannten 'umbro-sabellischen Stämme' ausmachten.

Doch das von Brian Griffith beschworene Szenario einer Gründung des römischen Imperiums durch aggressive Viehhirten wird von Jochen Bleicken weit weniger martialisch dargestellt.
Die 'Villanova-Kultur' lässt sich nicht einer bestimmten Ethnie zuordnen und hat durch ihre fortgeschrittene Metallurgie vor allem die etruskischen Stadtsiedlungen in der Toskana geprägt.

Und Bleicken hebt als besondere Eigenart der Latiner hervor, dass sie "weder den Gebrauch des Eisens noch das Pferd als Reittier kannten". Noch die Römer hätten es vorgezogen, "für ihre Reiterei auf die Kontingente der Hilfsvölker und Bundesgenossen" zurückzugreifen!

In ihrem Siedlungsgebiet, den Küstentiefländern auf der Westseite Italiens wurden die Latiner stark von den Etruskern und Griechen mit ihrer städtisch-orientalischen Kultur beeinflusst. Rom war eine etruskische Gründung ('Ruma'), die vor Entstehung der latinisch-römischen Republik von etruskischen Königen beherrscht wurde. [Bleicken 1963]

Aus der Auseinandersetzung mit der entwickelten etruskischen Kultur im Norden (Toskana), den Kelten, die es schafften, Rom zu plündern und sich in der Poebene festzusetzen, und den Bergstämmen der Italiker, bes. den Samniten, entwickelte sich ein imperialer Stadtstaat mit einer Beamtenaristokratie und der privilegierten Vorherrschaft ('maiestatem populi Romani') einer auf kleinen Raum beschränkten Bevölkerungsgruppe.
Daraus ist zu folgern, dass eine extraktive urbane Gesellschaft ebenso destruktiv sein kann wie das von ihr beschworene Feindbild kriegerischer Nomadenstämme.


Römische und mittelalterliche Agrarverfassung

Während der römischen Epoche hat die technologische Entwicklung tatsächlich eher im Zusammenhang mit dem Heerwesen stattgefunden als in der Landwirtschaft.

Die in Cato's 'De Agricultura' empfohlene Wirtschaftsweise zur Versorgung des Heeres erodierte die italienische Landschaft - der abgespülte Boden füllte Seen und Flussmündungen. Erst 200 Jahre später forderte Columnella verbesserte landwirtschaftliche Praktiken und Kenntnisse. Aber die Militärmacht konnte ihre wirtschaftliche Basis einfach vom degradierten Mutterland in die Kolonien, besonders nach Spanien und in den Maghreb, verlagern.

Gleichzeitig verkörperte sich der Konzentrationsprozess der imperialen Militärmacht in Persönlichkeiten wie dem Kaiser Nero, der die sechs großen Landbesitzer der afrikanischen Provinzen ermorden ließ, um selber die Kontrolle über die Nahrungsversorgung seines Imperiums zu erhalten.

Diese Konzentration der Wirtschaftsmacht in den Händen ganz weniger Landbesitzer sollte durch Landreformen beschränkt werden. Die aristokratischen Reformer Tiberius Gracchus, Marcus Livius Drusus und zahlreiche ihrer Anhänger wurden aber ebenfalls ermordet.
[Griffith 2001]

Gewalt war also das Prinzip, das die römische Kultur und Zwangswirtschaft bestimmte.

Agrarwirtschaftlich am effizientesten sei "das System der straff überwachten, von Sklaven geführten und bearbeiteten, spezialisierten villae" gewesen [Pleket 1990].

Interessanterweise erreichten die unterworfenen Länder als Zulieferer des Heeres oft einen höheren Stand der Landwirtschaft als das italienische Mutterland. Das gilt nicht nur für Nordafrika, sondern auch für Gallien mit der landwirtschaftlich weit entwickelten Latène-Kultur.


Beim Niedergang des Imperiums kam es parallel zum Verlust der zentralistisch-urbanistischen Ordnung mit großem Heer auch zu einem Rückgang der Bevölkerung in Italien.
Deshalb wurde seit dem 4. Jh. die Einführung des Kolonats betrieben, eines "Systems an den Boden gebundener Pächter" als gesetzliche Maßnahme, um das Land trotz Mangels an Arbeitskräften produktiv zu erhalten. [Pleket 1990]


Natürlich wurde das Prinzip militärischer Raubwirtschaft nach dem Niedergang Roms auch von den in Norditalien einfallenden Langobarden befolgt.

Auf ihre ruralen Hofhaltungen geht möglicherweise das System der Feudalherrschaft Norditaliens zurück, in dem die Bauern 'manentes' (= "Bebauer fremden Bodens") genannt wurden. Ihre wichtigsten Werkzeuge waren Hacke (ursprünglich auch von den Frauen bedient), Spaten - "und die scharfe Hippe für die Beschneidung der Weinrebe" [Imberciadori 1980].

Es kann aber eigentlich kein Zweifel daran bestehen, dass die kriegerischen Langobarden noch weniger Ahnung von der Landwirtschaft hatten als die ansässigen Bauern.

Mit steigender Nachfrage der städtischen Bevölkerung erreichten es diese Landarbeiter, nur noch bestimmte feste Pachtbeträge zahlen zu müssen (in Geld oder Naturalien). Dadurch erlangten sie die Freiheit, ihre Arbeit zielgerichtet einzusetzen und bei Erfolg Grund und Boden zu erwerben - gegen Ende des 13. Jh.s wurden viele 'manentes' zu 'cives'!

Die ehemalig Unfreien konnten sich von Boden und Dienstbarkeiten loskaufen. An der Wende zwischen 13. und 14. Jh. war in Italien die Freiheit der Arbeitsperson und ihrer Familie gesichert ebenso wie das Recht auf Eigentum und Grundbesitz. [Imberciadori 1980]


Die Mezzadria

Sogenannte Teilpächter erhielten den Boden, den sie bebauten, von den Grundherren als Lehen für eine gewisse Zeit, nämlich 29 Jahre - das Arbeitsleben?

Die tausendjährige Institution der Halbpacht 'mezzadria poderale' entwickelte sich aus der Teilpacht. Der Name leitet sich wohl aus der Höhe der Pacht (50 % des Ertrags) ab.

In der Halbpacht wurde dem Arbeiter ein Paar Ochsen zur Verfügung gestellt, ein Fortschritt gegenüber der frühmittelalterlichen Handarbeit. Später kamen auch Wohnhaus und Stall hinzu.
Die Höhe der später zu leistenden Pachten und Abgaben wurde häufig von Schiedsrichtern bestimmt.

Die Ländereien des Grundherren beherbergten mit der Zeit immer zahlreicher werdende Familien, die versorgt werden mussten mit "Brot, Wein, Öl, Milch, Käse, Brennholz und Schafwolle".
[Imberciadori 1980]



Die heutige Agrarstruktur

Infolge von dürrebedingten Ernteausfällen von Pachtbetrieben kam es zu Schuldknechtschaften, die sich über die Generationen vererbten. Ihre Spuren sind noch in dem Klientelismus Süditaliens wiederzufinden.

Die Schuldknechtschaft führte auch zu einer ausbeuterischen Landnutzung. Während sich diese Strukturen in Italien und Spanien noch antreffen lassen, machen die großen Landbesitzer in Griechenland und in der Türkei nur einen recht unbedeutenden Faktor der Landnutzung aus.

In Spanien verfügen die 15 % Besitzer größerer Betriebe ab 20 ha über 79 % der Nutzfläche, die Kleinbetriebe (74 %) aber nur über 12 % der Nutzfläche.

In Griechenland verhält sich die Landverteilung demgegenüber folgendermaßen: 2,7 % Betriebe über 20 ha verfügen über 24 % der Nutzfläche, Kleinbetriebe (97,3 %) aber über 76 % der Flächen.




In Italien verfügen die Kleinbetriebe unter 10 ha (88 %) über 27 % der Nutzfläche, die Mittelbetriebe mit 10 - 50 ha (10 %) über 36 % der Flächen und die weniger als 2 % Großbetriebe mit über 50 ha über 37 % der Flächen.

In der Türkei belegten kurz vor der Jahrtausendwende die Kleinbetriebe unter 10 ha (86 %) 44 % der Flächen, die Mittelbetriebe (13 %) 40,5 % der Flächen und die weniger als 1 % Großbetriebe 15,5 % der Flächen.

[Wagner 2001 (nach Medagri, Montpellier, 1998)]


In Italien habe sich die landwirtschaftliche Nutzfläche von 1961 bis 1995 auf 13 Mio. ha halbiert.

Während sich 1965 bis 1996 in Europa mit einer weiteren deutlichen Reduzierung des Anteils der in der Landwirtschaft Beschäftigten von 30 % auf 10 % ihre absolute Zahl halbierte (auf nur noch 6 Mio.), hat sich in den orientalischen Staaten die absolute Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten noch um 50 % auf 30 Mio. erhöht, obwohl sich ihr relativer Anteil an den Beschäftigten auch hier stark reduziert hat (von 60 % auf 35 %). [Wagner 2001]


Die vielerorts auf die römische Militärdiktatur zurückgehende Konzentration des Landbesitzes dürfte sich durch den kapitalistischen Akkumulationsprozess in den ersten Jahren des 21. Jh.s eher verschärft als abgemildert haben.



Quellenangaben


Jochen Bleicken: Rom und Italien (in: Propyläen Weltgeschichte, Band IV/1. Frankfurt, 1963 [Tb-Ausg. 1976]).

Ildebrando Imberciadori: Italien - Die Landwirtschaft vom 11. bis 14. Jahrhundert (in: J.A. van Houtte [Hg.]: Europ. Wirts.- u. Sozialgeschichte im Mittelalter. Stuttgart, 1980.)

Henry Willy Pleket: Wirtschaft (in: Fr. Vittinghoff (Hg.): Europ. Wirts.- u. Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit. Stuttgart, 1990.)

Donatella Magri: Middle and Late Holocene Vegetation and Climate Changes in Peninsular Italy (in: H.N. Dalfes/ G. Kukla/ H. Weiss (ed.s): Third Millenium BC Climate Change and Old World Collapse. NATO-ASI; Berlin/ Heidelberg, 1997.)

Horst-Günter Wagner: Mittelmeerraum (Wissenschaftliche Länderkunden). Darmstadt, 2001.

Brian Griffith: The Gardens of Their Dreams - Desertification and Culture in World History. Halifax/ London/ New York, 2001.