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Hochwasser am Mittelrhein

Das Flussregime des Rheins, die Großwetterlagen und der Klimawandel




Abfluss-Regimes des Rheins und ihr klimatischer Hintergrund


Es gilt als Faustregel, dass außergewöhnliche Hochwasserereignisse durch das Zusammentreffen mehrerer Faktoren hervorgerufen werden. Dieser Fall trat am regelmäßigsten dann ein, wenn Tauwetter von starken Niederschlägen begleitet wurde.

Es ist daher wichtig, neben den direkten Niederschlagsereignissen auch die in Eis und Schnee gebundenen Wassermassen zu berücksichtigen, also die durch Frost festgehaltenen Niederschläge, nicht nur das bei Tauwetter freigesetzte Wasser.


Eine Klimaänderung und die sich aus ihr ergebenden Änderungen und Verschiebungen der Niederschläge und Abflüsse kann sich stark auf die Dynamik der Flüsse und das Aufkommen von Hochwasser wie von Niedrigwasser auswirken.

Infolge der immer häufiger werdenden milden Winter fällt die Pufferung des Niederschlagsaufkommens durch Schneefall und Eisbildung weitgehend aus - die Winterniederschläge fließen in immer größeren Anteilen direkt ab.

Daraus kann sich die Situation ergeben, dass die Rheinanlieger statt einer "Weißen Weihnacht" ein mehrwöchiges Hochwasser im neuen Jahr erleben - wie im Januar 2011.


Hochwasser im Kurpark


Da ich selber notleidender Rhein-Anlieger bin, habe ich verfügbare Informationen über den klimatischen Hintergrund der immer häufiger auftretenden Hochwasser zusammengetragen; diese Zusammenschau könnte auch anderen Bewohnern des Rheinlandes nützlich sein. -
Ich weise aber ausdrücklich darauf hin, dass der dargestellte Daten-Trend nicht aktuell ist; er kann lediglich eine Vergleichsgrundlage für die rasante Entwicklung des Klimawandels sein.



Jahreszeiten und Wetterlagen



Die Tabelle gibt einen Überblick über die verschiedenen Abflussregimes des Rheins [Heinz Engel 1997] :

Abfluss-Regime Ursache Zeitraum der Abflüsse
'glaziales Regime' bedingt durch sommerliche Gletscherschmelze Minimum im Winter - Maximum im Sommer
'nivales Regime' bedingt durch Tauwetter und Schneemenge Minimum im Winter - Maximum im Frühjahr und Frühsommer
'pluviales Regime' bedingt durch anfallende Niederschläge im Winter höher als im Sommer


Die schon stark geschrumpften Alpengletscher tragen nur unwesentlich zum Sommerabfluss bei.

Daher spielen aktuelle Wetterlagen sowie die Größe des von ihnen betroffenen Einzugsgebietes eine immer bestimmendere Rolle als Auslöser für steigende Wasserstände.

Eigentlich ist es die Ausdehnung des auslösenden Wettergeschehens, die den Ausschlag gibt. Erst wenn die Wetterlage sich mit dem größten Teil des Einzugsgebietes deckt, oder wenn mehrere Niederschlags- und Tauwettergebiete räumlich aufeinander folgen, entstehen außergewöhnliche Hochwässer.

Kleine Einzugsgebiete können zwar schon durch kurzfristige Starkregen (oder Schnee- und Gletscherschmelzen) beeinflusst werden und hochintensive Regenfälle können regionale Hochwasserereignisse auslösen. Doch große Einzugsgebiete und Hochwasser werden erst durch Dauerregen über Tage und Wochen beeinflusst, die auf besondere Großwetterlagen zurückzuführen sind.


Hierbei ist auch die Wassersättigung oder Vereisung der Böden ausschlaggebend; erst die Erschöpfung der Wasserspeicherkapazität in den Mittelgebirgen führt zu Hochwasser verursachenden Abflussmengen.


Überschwemmte Anlegestelle


Als weiterer Faktor kann sich die Zugrichtung eines Niederschlagsgebietes auswirken. Ein Akkumulations-Effekt entsteht, wenn die Regenfront in Fließrichtung des Abflusswassers wandert [BBU 1997].
Dieser Fall würde also eintreffen, wenn die Großwetterlage von südlichen Richtungen her beeinflusst wird, was am Rhein ziemlich selten vorkommt, an der Elbe aber häufiger.



Winter- und Frühjahrshochwasser


Am häufigsten entstanden Hochwasser am Ende des Winters:
"... kommen die Autoren zu dem Ergebnis, daß die größeren nichtperiodischen Anschwellungen in den Mittelgebirgsnebenflüssen des Rheins ... infolge von raschen, durch warme Regen beschleunigten Schneeabgang über gefrorenem oder stark durchtränktem Boden entstehen." (Zentralbureau f. Meteorologie u. Hydrographie im Großherzogtum Baden, 1908)

Hierbei dürften die Schnee-und Eismassen des Voralpenraums und der südlichen Mittelgebirge von großer Bedeutung gewesen sein. Auch auf durch Frost undurchlässigen Böden bestand infolge von Regenperioden, die durch Westwetterlagen bedingt waren, Hochwassergefahr am Rhein.

Bis zum 19. Jh. scheinen auch winterliche Eishochwasser vorgekommen zu sein (meistens im Februar): "eine aufbrechende Eisdecke der Gewässer bildet einen Eisdamm, dessen Durchbruch zu einer Flutwelle führt" [Peter Krahe 1997] - in anderen Quellen wird auch der Anstau hinter dem Eisdamm für die Hochwässer verantwortlich gemacht.


Seit einigen Jahrzehnten wird dagegen eine Zunahme der Niederschläge im Winter und Frühjahr, eine Abnahme der Schneefälle und der sommerlichen Niederschläge beobachtet, wodurch sich die Hochwasser-Gefahr verschärft.

Sowohl in Süddeutschland als auch im Rheinischen Tiefland wurden Winterhochwasser durch die Niederschläge sogenannter 'zyklonaler Westwetterlagen' hervorgerufen, die seit Mitte der 70er Jahre vermehrt auftreten [Nelly Sepp 1997].


Überschwemmte Kopfbäume



Sommerhochwasser


Trotz des normalerweise sommerlichen Niederschlags-Maximums entsteht zu dieser Zeit wegen der starken Verdunstung (und des Verbrauchs durch die Pflanzen) nur ein Minimum an Abfluss.

Einst soll es auch im Sommer zu Hochwassern gekommen sein, doch sollen sie nur bis zum 16. Jh. eine Rolle gespielt haben [Peter Krahe 1997]. Das könnte einerseits mit einem mittelalterlichen Klimaoptimum in Verbindung gebracht werden, das zu einer sommerlichen Schnee- und Gletscherschmelze in den Alpen führte (verstärkender Faktor), andererseits mit der Kleinen Eiszeit vom 16. bis ins 18. Jh., die dann auch im Sommer große Wassermassen in den Alpen band (abschwächender Faktor).

Vor der Tulla-Korrektion entstanden solche lokalen Überschwemmungen im Sommer eben an dem flach und mäandrierend strömenden Oberrhein. Dabei dürfte auch die Schneeschmelze in den Alpen eine Ursache gewesen sein.



Herbst


Der Herbst ist aller Erfahrung nach eine Periode des Niedrigwassers; erst in der letzten Zeit hat der Rhein schon im Frühling Niedrigwasser.

Das hydrologische Jahr wurde auf die Periode von Juni bis Mai festgesetzt.
"Diese Festlegung beruhte auf der Erkenntnis, dass bei allen Pegeln die niedrigsten Abflüsse in der Regel in den Monaten September und Oktober auftreten. ... Das 1. Halbjahr, das die Monate Juni bis November umfasst, wird als 'Sommer-Halbjahr' und das 2. Halbjahr mit den Monaten Dezember bis Mai als 'Winterhalbjahr' bezeichnet." [Jürgen Ihringer 2010]




Fluss- und Abflussregimes



Nicht regulierte Flüsse werden ständig durch Abflussspitzen und Überschwemmungen verändert. Dieses freie Flussregime beeinflusst dadurch weite Talräume und Mündungsgebiete, die jedoch gleichzeitig große Wassermengen aufnehmen können.

Erst seit weniger als 200 Jahren hat sich am Rhein als zusätzlicher Faktor ergeben, dass durch einen systematischen Gewässerausbau die Abflüsse beschleunigt wurden und sich lokale Abflussspitzen zu einer bedeutenden Hochwasserwelle akkumulieren.

Der Abfluss des Niederschlagswassers kann durch Waldvernichtung, Bodenversiegelung und Kanalisation von kleineren Gewässern noch weiter beschleunigt werden.


Der Rhein durchfließt Regionen mit variablen Klimabedingungen, Wettergeschehen und damit Abflussmengen; dadurch variieren auch die Scheitelpunkte des Hochwassers.

Flusseinmündungen können bei Hochwasser einzelne Hochwasserwellen verursachen, oder mit schon vorhandenen Hochwasserwellen zusammentreffen und sich zu Extrem-Hochwassern verstärken.


Die Ausdehnung eines Einzugsgebietes kann ein nur lokal gespeistes Hochwasser abschwächen. Die Wasserstände am Mittel- und Niederrhein werden nicht unmittelbar von lokalen Niederschlägen und Hochwassern am Hoch- und Oberrhein beeinflusst, die Fließstrecke ist zu lang.
Eine Hochwasserwelle von Karlsruhe bis Köln soll drei Tage benötigen [Wolfgang Blum 1994].


Bad Hönningen jenseits der Fluten



regionale Abflussregimes


Die schon aufgeführten, aus verschiedenen Quellen stammenden Abfluss-Regimes treten an unterschiedlichen Flussabschnitten auf:
- das sommerliche 'glaziale Regime' beschränkt sich auf den Alpenraum
- das durch die Schneeschmelze ausgelöste 'nivale Regime' konzentriert sich auf Voralpen und Mittelgebirge
- das 'pluviale Regime' kann durch die höheren Niederschläge der Mittelgebirge, aber auch durch die atlantischen Winterregen in Norddeutschen Tiefland gespeist werden.


Durch infolge Dauerregens wassergesättigte Böden werden besonders in den Mittelgebirgen entspringende Flüsse wie die Elbe beeinflusst - an der Elbe setzt andererseits Tauwetter wegen des kontinentaleren Klimas recht spät ein.


Auf der Webseite der "Internationalen Kommission für die Hydrologie des Rheingebietes (CHR-KHR)" wird darauf hingewiesen, dass sich das nivale Abflussregime am Oberlauf des Rheins recht deutlich vom pluvialen des Unterlaufs unterscheidet; als geographische Scheidelinie zwischen den beiden Regimes wird die Mainmündung angegeben [Jörg Uwe Belz 2010] :

  1. Für den Oberlauf typisch sind "niedrige Abflüsse in den Wintermonaten (weil dann Eis und Schnee Fließvorgänge einschränken) und ein stark durch Schneeschmelze geprägtes abflussstarkes Sommerhalbjahr".
    Doch infolge des Klimawandels kommt es auch am Oberlauf des Rheins zu einer zunehmenden Verschiebung der Abflüsse in die Wintermonate.
  2. Für den Unterlauf sind dagegen die starken Abflüsse im Spätwinter typisch und die niedrigen Abflüsse im Spätsommer und Herbst.
    Durch den Klimawandel werden die Abflüsse des Winterhalbjahres noch verstärkt.





Großwetterlagen




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