Klimawandel und Vegetation am Unteren Mittelrhein 2015 und 2016

Die Hainbuche zeigt sich empfindlich



Trockenhang in Bad Breisig

Trockenhang mit Traubeneiche, Oberbreisig; 17.3.2016 © STH.



Beobachtungen
Verdoppelung des atmosphärischen Kohlendioxid-Gehalts
Verträglichkeit von Baumarten gegenüber dem Klimawandel
Absterbeerscheinungen an der Hainbuche (Carpinus betulus)
Quellenangaben




Beobachtungen

Die neuen Klimabedingungen scheinen den Wuchszeitraum der Pflanzen eher zu verkürzen als zu verlängern.

Dabei finde ich es erstaunlich, dass die einheimischen Bäume die warmen Winter im Ruhezustand überdauern können, obwohl sie permanent den physiologischen Reizen des Wachstums ausgesetzt sind ...

Umgekehrt waren sie neuerdings auch im Sommer langen Perioden dichter Bewölkung ausgesetzt, die ihre Physiologie, obwohl sie sich im aktiven Zustand befand, auf ein Minimum herabgeführt hat.

Im Frühsommer 2016 kamen zu der immer häufiger auftretenden lichtabschirmenden Bewölkung katastrophale Niederschläge hinzu.

Andererseits herrscht trotz einer permanenten Wolkenglocke über lange Perioden oft unerklärliche Trockenheit.


Den lichtarmen Zeiten folgten auch in unseren Breiten ungewohnte und lang anhaltende Hochdruckperioden ohne Niederschlag (auch im Herbst), in denen Pflanzen an exponierten Plätzen durch die intensive Strahlung und große Hitze geschädigt wurden.

Gehölze in den gemäßigten Breiten sollen zwar bis zu 50° C ertragen können. Doch die Auswirkungen allgemeiner Trockenheit können kleinräumig durch Einstrahlung und Bodenzustand stark variiert werden. Der Mittelrhein ist bekannt für seine sonnenexponierten Trockenstandorte.

Die Folgen saisonaler Dürreperioden sind dann stellenweise deutlich sichtbar. Hier kam es insbesondere zu auffälligen Veränderungen der Rinde, aber auch zum Absterben ganzer Pflanzengruppen.


Traubeneiche   Esche

Traubeneiche bei Oberbreisig; 17.3.2016 © STH.    /    Esche am Rheinufer, Bad Breisig; 22.3.2016 © STH.


Empfindlich zeigten sich gerade auch einheimische, an humidere Bedingungen angepasste Straucharten wie Weißdorn (Crataegus) und Brombeere (Rubus).


Waldweg bei Rheineck    verdorrte Brombeere

Waldhang bei Rheineck; vertrocknete Brombeere. 26.09.2016 © STH.


Auch die einheimischen Brennesseln scheinen mit Wuchsveränderungen und überreichem Samenansatz auf strahlungsreiche Dürreperioden zu reagieren.


trockene Wiese    gestauchter Wuchs

Trockene Wiese bei Nieder-Lützingen; 24.09.2016 © STH.


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Verdoppelung des atmosphärischen Kohlendioxid-Gehalts

Während der den einheimischen Pflanzen genetisch eingeprägten Vegetationszeit bestanden also im ozeanischen Westeuropa 2015 und 2016 eher wuchshemmende Witterungsbedingungen.

Diese Wuchsbedingungen werden allerdings durch den physiologischen Faktor extrem hoher CO2-Werte variiert. -
Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre hat mittlerweile das Doppelte von dem erreicht, was die Pflanzenwelt während hunderttausender Jahre des Eiszeitklimas gewohnt war.

Durch die außergewöhnlich hohe Kohlenstoff-Düngung werden bestimmte Pflanzenarten in ihrem Wachstum sichtlich angeregt, nämlich die Bewohner ruderaler (offener) Standorte wie die invasiven Goldruten aus Nordamerika (Solidago canadensis + gigantea), die hier plötzlich eine große Streuobstwiese überwuchert haben.


Goldruten (Solidago)

Starker Wuchs der Goldrute, Wiesenhang bei Rheineck; 26.9.2016 © STH.


Diese Wachstumsförderung wird vor allem bei ausreichender Lichtzufuhr erreicht, während bei fehlendem Sonnenlicht durch einen bedeckten Himmel oder im Unterwuchs der Wälder nachteilige physiologische Erscheinungen zu erwarten sind, die als "etiolisches Wachstum" oder auch "Geilwuchs" bekannt sind.


Am Institut für Agrarökologie der ehemaligen Forschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), Braunschweig wurden experimentelle Untersuchungen der Wirkung von Kohlendioxid auf den Pflanzenwuchs mit Laborversuchen und in Freiland-Begasungsanlagen angestellt.
Natürlich verändert eine CO2-Überdüngung aus der Atmosphäre auch die Mineralstoffzusammensetzung in den Pflanzen selbst - so vermindert sich beispielsweise der Rohproteingehalt von Futterpflanzen und sogar von Getreidekörnern. [Weigel 2005]


Im gobalen Rahmen scheint jedoch eine erhöhte Produktivität der Pflanzenwelt deutlich zu werden. 1982 - 2009 wurden Langzeituntersuchungen mit Satelliten zur Evaluierung der Blattfläche der Vegetation vorgenommen. Dabei wurde eine enorme Zunahme des 'leaf area index' (LAI) von 25 - 50 % innerhalb dieses Zeitraums beobachtet. [Zhu et al. 2016]
Nur in Regionen, die extremen Witterungsbedingungen, insbesondere Trockenheit ausgesetzt sind, ging die Blattfläche zurück. - Das kann man kleinflächig auch vor der eigenen Haustür beobachten!


Kiefernwald

Förderung des Unterwuchses, Kiefernwald am Kesselberg; 8.8.2016 © STH.


Nach Simulationsanalysen nahmen die Forscher an, dass die Ursache nur zu einem geringeren Teil auf Eutrophierung durch den Menschen und die Klimaerwärmung zurückzuführen ist, aber zu 70 % auf den hohen CO2-Gehalt der Atmosphäre und den davon hervorgerufenen Düngeeffekt. [Zhu et al. 2016]


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Verträglichkeit von Baumarten gegenüber dem Klimawandel

In einer von der Stiftung 'Wald in Not' in Auftrag gegebene Studie "Klimawandel und Baumarten-Verwendung für Waldökosysteme" wird von einem Rückgang der Niederschläge in der Vegetationsperiode um 10 - 25 % ausgegangen [Roloff/ Grundmann 2008].


Die positiven Kriterien dieser Studie zur Beurteilung der Anbaueignung von Baumarten, nämlich Resistenz gegenüber "andauernden Trockenphasen" und dem Frost, könnten anhand der hier vorgelegten lokalen Beobachtungen in Frage gestellt werden.

Auf jeden Fall kommen noch weitere Stressfaktoren hinzu:


Im äußersten Westen Europas mit ozeanischem Klima kommt dem Nässefaktor eher als dem Frost eine große Bedeutung zu, zumal hier infolge des Klimawandels verstärktes Niederschlagsaufkommen zu erwarten ist; diesem Aspekt wird in obiger Studie wenig Beachtung geschenkt.
Der Frostfaktor könnte allerdings infolge des von arktischem Schmelzwasser hervorgerufenen Versiegens des Golfstromes tatsächlich noch über einen längeren Zeitraum von Bedeutung bleiben.

Die CO2-Überdüngung könnte die physiologische Widerstandsfähigkeit der Baumarten gegen alle anderen aufgeführten Stressfaktoren (Dürre, Strahlungsbelastung, Lichtmangel, Nässe, Frost, Witterungsschwankungen) zusätzlich stark herabsetzen.


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Absterbeerscheinungen an der Hainbuche (Carpinus betulus)

Offenbar reagieren einige Pflanzen besonders empfindlich auf die veränderten Umweltbedingungen, während sie anderen Pflanzenarten nichts ausmachen.

Den einheimischen Eichen scheint die Kombination aus CO2-reicher Atmosphäre und abwechselnd lichtarmer und strahlungsreicher Witterung solange nichts auszumachen, wie ihr Wurzelsystem einigermaßen vor Austrocknung geschützt ist.


luxurierende Eichen

Luxurierende Eichen bei Oberbreisig; 15.9.2016 © STH.


Am deutlichsten war die Kombination mehrerer Stressfaktoren der Hainbuche anzumerken, die schon im Spätsommer verbraunte und ihre Blätter abwarf.


verbraunende Hainbuchen    Hainbuche

Hainbuchen mit Absterbeerscheinungen im Rheinecker Wald bei Nieder-Lützingen; 24.9.2016 © STH.


In der oben angesprochenen Studie wird die Hainbuche gerade für Trockenstandorte als sehr gut geeignet eingestuft, allerdings für nasse Standorte als wenig geeignet [Roloff/ Grundmann 2008]. Die in der Gesamtwertung schlechter eingestufte Rotbuche kommt mit den hiesigen Bedingungen offenbar besser zurecht.

Die Absterbeerscheinungen an den Hainbuchen könnten möglicherweise auf die extreme Nässe im Frühsommer 2016 zurückgeführt werden!


Es ist übrigens erstaunlich, dass auch die beiden Indikatorarten ozeanisch-milden Klimas in Europa, die Stechpalme (Ilex aquifolium) und die Eibe (Taxus baccata), in dieser Klimaverträglichkeits-Studie als ungeeignet für nasse Standorte angesehen werden.


Hainbuchen sind nach Ellenberg 1982 aber auch in feuchteren Pflanzengesellschaften weit verbreitet, insbesondere in feuchten Eichenmischwäldern. Allerdings ist die Hainbuche konkurrenzschwächer als die Rotbuche, außer an den etwas wärmeren und trockeneren Standorten.
Die Hainbuche wird zur dominierenden Art an der ostpreußischen Nehrungsküste, wegen des etwas feuchteren und milderen Klimas, während im Landesinneren der trockene Kiefernwald dominiert.


Auffällig war 2016 in der Umgebung von Bad Breisig die Angstschütte der Hainbuchen - ein überreicher vorzeitiger Fruchtansatz. Diese forcierte Fruktifikation soll ein biologischer Reflex zur Hervorbringung neuer Genotypen sein [Roloff/ Grundmann 2008].


Angstschütte bei der Hainbuche

Oberbreisig, am 15.9.2016 © STH.


Fruktifikation   

Waldhang bei Rheineck; Fruktifikation der Hainbuche. 26.09.2016 © STH.



Die Hainbuche dürfte sich als  Baumart des Unterwuchses  auf rasche Stoffakkumulation in Zeiten starker Belichtung spezialisiert haben. Es könnte sein, dass für sie an Trockenstandorten die Belichtung (beispielsweise infolge der Holzentnahme) der eigentlich ausschlaggebende Ökofaktor ist.

Andererseits kommt sie aber auch mit starker direkter Bestrahlung offenbar nicht gut zurecht, weil im Spätsommer 2016 gerade die Exemplare am Waldrand und in exponierter Lage vorzeitig braun wurden.


Hainbuchen am Waldrand

Waldrand bei Nieder-Lützingen; 24.9.2016 © STH.


Niederbreisig 2016    Hainbuchen

Waldhang Niederbreisig, am 15.9.2016 © STH.


Es ist kaum anzunehmen, dass diese Baumart nur wegen vorübergehender Nässe mit Verbraunung reagiert, sicher kamen in diesem Falle mehrere Stressfaktoren zusammen, vielleicht auch die Konkurrenz der Waldbäume. Außerdem ist zu bedenken, dass das Datum dieser Welkeerscheinungen durchaus mit der Zeit der herbstlichen Laubfärbung des früheren Klimas korreliert, - nur dass sich die anderen Baumarten noch in vollem Wuchs befanden.

Man kann die Hainbuche wohl kaum als heikle Baumart bezeichnen, doch zeigt sie ebenso wie die einheimische Vegetation insgesamt deutliche Stresserscheinungen.


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Quellenangaben

- Heinz Ellenberg: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen; 3.Aufl.. Stuttgart, 1982.
- H.-J. Weigel, ehemalige Forschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), Institut für Agrarökologie abgerufen auf: www.innovations-report.de; Stand 14.04.2005.
- Andreas Roloff/ Britt Grundmann (TU Dresden, Inst. f. Forstbotanik u. Forstzoologie): Klimawandel und Baumarten-Verwendung für Waldökosysteme. Tharandt, 2008.
- Zaichun Zhu etc.: Greening of the Earth and its drivers (in: Nature Climate Change 6, 791–795 [2016])