Im lärmenden Triebwagen nach Irun kam mir ganz dunkel eine unangenehme Erinnerung an die fürchterliche Fahrtstrecke entlang des dicht bebauten Küstengebirges. Erst nach geraumer Zeit fiel mir wieder ein, dass ich hier schon einmal in der Weihnachtszeit anlässlich einer Reise nach Portugal mit dem "R 4" entlang gefahren war.
Dann in Irun - mich in Windes Eile auf Spanisch umstellen müssend - erfahre ich, dass der Anschluss, der mir in Albi empfohlen worden war, in Wirklichkeit ein Bus ist. Man erklärt mir, Regionalzüge führen zwar wohl die einzelnen baskischen Städte an - mit unzähligen Halts -, stellten aber keine Verbindung her. Der Intercity fährt dagegen irgendwohin in den Süden (nämlich rund 400 km bis nach Valladolid), von wo man dann wieder zurück an die Küste muss. Dafür muss man dann auch noch Zuschläge zahlen und die Übernachtungskosten, sofern man nicht noch den letzten Zug von Valladolid nach Santander gegen 18.30 h erwischt.
Nach zwei Stunden quälenden Wartens an der schmuddeligen Bahnhofshalle konnte ich also noch einmal die von mir schon bei der erwähnten Reise auf immer und ewig verfluchte Autobahn-Mautstelle von Renteria erleben - das Dantesche Inferno der wucherischen Fuhrleute, in dem jahrein-jahraus täglich tausende Fernlaster-Kolosse ebenso wie ihre Mitreisenden im Kleinauto durch ein Nadelöhr gezwungen werden.
An der Autobahn sieht man auch überall diese entsetzlichen Eucalyptus-Bäume. Sie sind enorm dicht gepflanzt und scheinen unter dem maritimen Klima noch besser zu gedeihen als es eine normale Vegetation täte. Aber warum sollte man zerstörte Böden am Rand der Autobahn nicht gewinnbringend nutzen.
Santander hat eine schöne Lage an einer ausgedehnten Bucht und ist sowohl mit einigen schönen Sandstränden ausgestattet als auch mit interessanten Felshalbinseln und Hanglagen - letztere von mondänen Wohngebieten und Villen besetzt - und mit einigen städtebaulichen Glanzlichtern. Nicht zu verachten sind die Promenaden und schönen Wohnstraßen, die die seltene Möglichkeit bieten, sich die Beine zu vertreten. Man kann ständig mit dem Schiff Rundfahrten durch die Bucht machen oder die um sie herum verteilten Strände ansteuern.
Endlich keine Sommerhitze: wegen der feinen Regentröpfchen aus grauer Atmosphäre konnte man sich ganz normal im Freien aufhalten, ohne dabei nass zu werden oder einen Sonnenstich zu bekommen. Einmal im Morgengrauen kam es sogar zu einem Gewitter mit Platzregen. Aber meistens knallt die Sonne auch hier ungefiltert auf die Strände.
Manche Böschungen sind mit blauer Trichterwinde bedeckt. Von Nahem hat das wunderbar leuchtende Blau der großen Blüten eine fast psychedelische Wirkung.
Es deprimiert mich sehr, in einer Art Würfel aus Schweizer Käse zu leben, in dem die Käsemasse aus sehr dünnen Wänden besteht und den von ihnen umschlossenen, winzigen belebten Hohlräumen mit Nasszellen (den Hotel-Appartements), die Löcher im Käse aber aus mehreren senkrecht herabstoßenden Licht- und Luftschächten. Es ist mir auch klar, dass in Spanien fast alle Menschen in solchen vielstöckigen Behältnissen leben, während die Gegend darum herum zum größten Teil nicht mehr existiert.
Brechreiz verursacht mir aber dann, wenn ich sehe, dass die besten Wuchsorte Spaniens an den Hangfüssen des Kantabrischen Gebirges vollständig dem Eucalyptus geopfert worden sind. Selbst die Wohngemeinden mit durchaus wohlbestellten Einfamilienhäusern sind von Eucalyptus-Pflanzungen durchsetzt. Zum Glück ist diese Pflanze kälteempfindlich, sodass sie ab einer bestimmten Höhe nicht mehr gepflanzt wird. Das kann man bei einer Bahnfahrt nach Reinosa im Hochland beobachten. Dabei fällt auch die massive Ausbreitung des südamerikanischen Pampas-Grases im Tiefland entlang der Bahnstrecken auf.
Reinosa ist ein staubgraues Landstädtchen der Meseta, durch Wohnblöcke und Supermärkte notdürftig der Moderne zugeordnet, aber immer noch mit dem Bauernmarkt als wichtigstem Ereignis, umgeben von dürren Wiesen und Weiden und kahlgefressenen Berghängen; einige Bergkuppen sind aber noch mit Eichenwald bedeckt. Leider hören Nebenstraßen und Feldwege ein paar Meter hinter den Ortsausgängen auf, und über die Stacheldrahtzäune der Viehweiden möchte man ja nicht springen.
Es fließt ein kleines Flüsschen durch den Ort, den ersten, den es möglicherweise antrifft. Es wachsen in dem Wasser größere Bestände Brunnenkresse, es scheint also noch recht sauber zu sein. Es finden sich aber auch dicke Matten aus Flutendem Hahnenfuß, auf denen sich moosartige Kräuter ansiedeln; der Fluss wird allmählich durch schwimmende Inseln verstopft. Zwar hatte man das Flüsschen mit einer schönen Grünanlage mit abgetrepptem Ufer eingefasst; doch die ist nun unter den vielen kleinen Abfallschnipseln der süßen Sachen und den Getränkebehältern nicht mehr zu erkennen.
Am Ortsausgang fließt aus einer industriellen Anlage eine schlechtere Wasserqualität hinzu. Und die an einem Abhang gelegene Autowerkstatt trägt sicherlich auch das Ihre dazu bei. Man konnte hier auch beobachten, wie ein ganzer Lastzug, beladen mit irgendeinem Plastikzeugs, das immer noch geplündert wurde, von der Autostraße, die den Fluss überquert, herabgestürzt war.
Später stellte ich auf der Karte fest, dass das Flüsschen der Ebro war, der schon wenige Kilometer später in einen riesigen Stausee mündet.
Am nächsten Morgen bestätigten sich auch meine restlichen Befürchtungen, das Chaos Spanien betreffend: die lokale Bahngesellschaft für Nordspanien F.E.V.E. akzeptiert keine Interrail-Tickets! Dabei hatte ich mir das Ticket wegen dieser Strecken gekauft. - Diese Regionalbahn braucht von Santander nach Oviedo gut vier Stunden und kostet umgerechnet etwas über 20 DM. Von dort besteht eine weitere Verbindung zum äußersten Nordwesten nach La Ferrol, dem Geburtsort Francos. Hierfür braucht man noch einmal 6,5 Stunden und die Fahrkarte kostet 35 DM.
Nach allen erhältlichen Informationen richtet die staatliche Eisenbahn R.E.N.F.E. nach Portugal nur Nachtzüge via Guarda aus, - sicherlich mit der lobenswerten Absicht, dem Fahrgast die trostlosen Landschaften zu ersparen. Und um über den Nordwesten nach Portugal zu gelangen, müsste man in Palencia umsteigen.
Als ich nach langem Überlegen das Ticket der anderen, regionalen Bahnlinie erworben habe, erfahre ich, dass der einzige Zug in ganzen zehn Minuten abfährt; ich hatte aber noch mein Gepäck im Hotel.
Als ich dann doch glücklich im Zug saß, musste ich feststellen, dass ich mit diesem Zug gar kein Land durchquerte, sondern eine Zellstoff-Plantage ungeheuren Ausmaßes. An den Bahndämmen stehen zwar noch einige Eichen und Kastanien, das Küstengebirge ist aber vollständig vom Eucalyptus überwuchert. (Unbedarfte Beobachter mögen annehmen, dass dieses Gehölz so wie im Schwarzwald die Fichte auch als Rohstoff für Baukonstruktionen und einfache Gebrauchs- oder Einrichtungsgegenstände dienen könnte. Tatsache ist aber, das Eucalyptus-Holz noch nicht einmal als Brennholz zu verwenden ist. Es taugt nur zur Papier-Herstellung.)
Auch hier hat es der spanische Unternehmer also geschafft, durch seine Einsatzfreude, sein Interesse an ökonomischen Zusammenhängen und die ungebrochene Verfügbarkeit seiner arbeitenden Klassen im Grunde hervorragende Ausgangsbedingungen zu seinen Ungunsten zu verändern: der schnellwachsende Baum wird die Böden gründlich, wenn nicht irreversibel leersaugen!
Mich für meinen Teil deprimiert eine solche Umgebung und ich würde in einer Gegend, die den größten Teil ihrer Fläche dem Klopapier opfert, nicht ungeniert leben können. Auch die Immobilieninvestition würde ich hier nicht empfehlen.
In Asturien dann rücken die Picos de Europa sehr nahe ans Meer heran, aber die Kulturflächen mit Mostäpfeln und rundkronigen Esskastanien scheinen auch hier schon auf verlorenem Posten zu stehen. Dabei wäre die Landschaft absolut phantastisch, und es ist wirklich traurig, dass die kleinen Hofstätten unter diesem seltsamen plastikartigen Grün aus Australien begraben werden sollen. Auch die klaren, kleinen Flüsse aus dem Gebirge spenden da keinen Trost mehr.
Seltsam, westlich von Arriondas hört es plötzlich auf mit der Eucalyptus-Pracht, und man fühlt sich wieder einigermaßen wie ein Mensch.
... (Aufenthalt in Oviedo)
Die folgende Etappe wird über Léon nach Vigo führen, denn der Transit-Bahnhof für Portugal ist Vigo und nicht Orense.
Der Tag hat sich jedoch ziemlich beschissen angelassen: Kaum hatte ich mich ans Bahngleis gesetzt, als ich von einer Taube am Hinterkopf und auf meinem besten Kleidungsstück getroffen wurde. Und mit dem Zug nach Vigo hatte ich sehr große Probleme: von einer Ohnmacht konnten mich nur große Mengen ätherischen Öles abhalten.
Die Strecke nach Léon führt in ein tief zertaltes Gebirge mit viel Wald, überwiegend Buchen. Einen großen Teil der Strecke fährt man aber in Tunneln. Die Hänge der Bergketten sind mit interessanten geologischen Bändern aus hartem Fels durchzogen: ein Doppelband aus silberweißem Hartgestein ähnelt gar der Chinesischen Mauer und führt wie diese bergauf und bergab.
Im Hochgebirge ein gelbblühender Teppich aus Ginster. Dann folgt eine ziemlich ebene Hochfläche mit viel Eichenwald und eine ländliche Heckenlandschaft mit Viehzucht.
Die Weiterfahrt nach dem Umsteigen von Léon in den Westen erfolgt ja bekanntlich, ebenso wie es die Strecke nach Süden tun würde, über Hochflächen. Die öde Weite vieler dieser Landschaften ohne Baum und Strauch ist erschreckend. Sie sind meistenteils trotz Bodenbearbeitung sogar gänzlich ohne Anbaukultur der Sonne und dem Wind preisgegeben. Allerdings weiß kaum ein Mensch, dass hier je nach Niederschlagsverhältnissen der Getreide-Anbau nur mit dazwischenliegenden Brachejahren erfolgen kann, in denen der Boden Feuchtigkeit sammeln soll.
Trotzdem fragt man sich, ob eine weniger unbarmherzige Nutzung und die Anpflanzung von Hecken und Gehölzen Wasserhaushalt und Bodenabtrag nicht günstiger beeinflussen würden. Aber sogar in wissenschaftlichen Veröffentlichungen ist davon die Rede, dass ein Nachlassen der Nutzung wegen der Landflucht, besonders die Verkleinerung der Viehherden, die die Vegetation kurzhalten, nur dazu führen würden, dass die Waldbrände zunähmen.
Da die Hochfläche hier im Norden noch relativ niederschlagsreich ist, gilt sie als das wichtigste Getreide-Anbaugebiet Spaniens. Es gibt noch Eichenwälder, und es finden sich sogar Kastanienbäume. Die Weinreben werden mit einem Stämmchen und einem Kronendach erzogen.
Bei Ponferrada findet man Apfel-Plantagen und Pappelkulturen. Dort fließt der Rio Sil durch teilweise tief eingegrabene Schluchten mit Schieferabbau; er ist der zweite Zufluss des Minho. Beide Zuflüsse entspringen weit im Norden in den Kantabrischen Gebirgsketten. Im Sil-Tal wachsen fast bis unten in der Aue viele prächtige Esskastanien; sie sind häufig an den steilen Hängen auf Felsböden eingestreut. Man findet sie auch in Pflanzungen oder halbverwildert; teilweise hatten große alte Bäume abgestorbene Äste infolge einer Pilzkrankheit.
Das Gebiet westlich von Ponferrada ist fast unbewohnt, und der Zug hält für Stunden an keiner nennenswerten Siedlung mehr. Es heißt, Ursache sei die starke Landflucht. In Monforte de Lemos nach gut der Hälfte der Wegstrecke von Léon wechselt der Zug die Fahrtrichtung und stößt dann auf einen bachartigen Zufluss des Sil und schließlich auf den Minho selbst. Leider wurden auch hier allerlei Anbauversuche gemacht, und die Papier-Produktion macht sicher große Fortschritte. Von nun an und in ganz Portugal gesellen sich unzählige Akazien mit Mimosen-artigen Blütenständen zum Eucalyptus.
Obwohl seine Ufer zu großen Teilen mit Exoten bepflanzt sind, wirkt der Minho in seinem Landschaftsbild wegen seines Bettes aus Blockgestein weniger gestört als die Landschaften im Norden.
Wie schon angedeutet, war leider die Klimaanlage defekt und blies daher mehrere Stunden lang ausgerechnet die Ausdünstungen des Toilettenbehälters in unseren Wagon.
... (Aufenthalt in Vigo)
Es folgte nur vorübergehend eine erbauliche Strecke - zunächst wieder die wunderbare Bucht von Vigo hinan, in die ich gestern abend gerade hinabgestiegen war, dann über Tui nach Portugal und den Minho entlang zur Küste. Die breiten Mündungsbuchten des Minho und später des Rio Lima mit der Stadt Viana de Castelo vermitteln urweltliche Perspektiven.
Als ich damals in der Weihnachtszeit in Portugal war, ärgerte es mich, dass es an der Küste nur Kiefernforsten gab. Heute strotzt das Land im Eucalyptus-Grün. In der intensiv genutzten Kulturlandschaft mit kleinen unregelmäßigen Maisfeldern, unterbrochen von Lauben-artigen Weinspalieren, machen sich kleinere Eucalyptus-Bestände gar nicht einmal so bizarr aus.
Mein Gemütszustand hatte auf Grund der ständigen Fortbewegung und der damit verbundenen Verdauungsbeschwerden eine dümmlich grinsende Ebene erreicht, und doch bewegte mich nur die eine Frage, wie es geschehen konnte, dass auch das dicht besiedelte nordportugiesische Küstengebiet in einem solchen Ausmaß von Eucalyptus- und Akazien-Plantagen durchsetzt wurde. Auch Porto mit seinen an die Abhänge geklebten Armensiedlungen deprimierte mich. Und erst hinter Estarreja, fast am Ziel meiner Reise, bestanden die Feldgehölze wieder vorübergehend aus natürlichen Vegetationselementen, an den Bahngleisen waren einzelne Korkeichen zu sehen.
Es erstaunt den Außenstehenden, wie steil hierzulande Böschungen angelegt sind, ohne dass sie irgendeine Bepflanzung aufweisen würden. Allerdings ist der Bodentyp anders: ein rötlicher tonig-mergeliger Boden, der leicht verbackt. Bedenklich stimmt es mich aber, wenn die Anschüttungenn neugebauter Straßen tiefe Erosionsrinnen zeigen. Manchmal wird mit Geröll, Steinen und Kieseln zur Befestigung gearbeitet: auf die steilen Böschungen werden die Steine gesetzt, ohne dass deren Zusammenhalt einen besonders vertrauenerweckenden Eindruck machte, die aber vielleicht durch handwerkliche Setzung stabil verkantet sind. In den Städten findet man ja auch sehr steile Straßen, die nur mit Kieseln ohne jedes Bindemittel gepflastert wurden und offensichtlich auch für den Autoverkehr als verkehrssicher gelten. Manchmal verwendet man Papyrusgras als Mulch. Steinsetzungen begrünen sich aber nicht ohne weiteres, dafür entwickelt die Sonneneinstrahlung zu hohe Temperaturen.
Was man an Grün sieht, ist zum allergrößten Teil verwildertes Gehölz, oft finden sich in Gebäudeecken und Höfen wuchernde Zierpflanzen wie die riesigen Blätter eines Philodendron, Zitronen oder in manchem verlassenen Herrenhaus exotische Arten mit nie gesehenen Blüten.
Der Botanische Garten von Coimbra bietet nichts besonderes, außer dass die wenigen in ihm vorhandenen Baumarten bedeutende Größen und ein hohes Alter erreicht haben. Immerhin gibt es hier sogar noch einige andere Eucalyptus-Arten als die landesweite Monokultur mit Eucalyptus camaldulensis. In seiner Nähe gibt es schöne Straßenbäume: mediterrane Ulmen und Ahorn. Sonst sieht man ja ausschließlich Platanen, und die nur in der Peripherie der Städte.
Auf dem Bahnhof gerät die Dame am Informationsschalter in ungewöhnliche Begeisterung, als sie von der Nebenstrecke von Coimbra nach Serpins spricht, für die es einen eigenen Bahnhof in Coimbra gibt. In der Tat erinnert der Anstieg der Bahnlinie durch bewaldete Vorgebirge mit kleinen Orten an arkadische Zeiten. Doch sind hier nicht bloß die Bahngeleise durchgehend mit Akazien begrünt, bald wird man gewahr, dass auch das gesamte Hinterland, alle Bergkuppen und Hänge von Eucalyptus-Plantagen mit hohem Akazien-Anteil besetzt sind, frühere Kiefern-Pflanzungen sind im Rückgang begriffen.
Möglicherweise ist es ausgerechnet die Universität von Coimbra, die den Mentor für die Zellstoff-Industrie abgab. Vielleicht wird man einmal von einem Staat, der diese menschenverachtenden Anbaupraktiken zulässt, als von einer "Eucalyptus-Republik" reden anstatt von einer "Bananen-Republik".
Als ich in Serpins aussteige und meinen Spaziergang antrete, bin ich schon auf das schlimmste gefasst. Trotzdem überkommen mich in den diesen Ort umgebenden industriellen Anpflanzungen schlimme Depressionen. Das die mediterranen Degradationsstufen unterbietende falsche Grün, die schmutzig-braunen Bestandsabfälle des Eucalyptus, das bläuliche, Plastik-ähnliche, wachsige Laub der Akazien und der rundblättrigen Jugendform des Eucalyptus treiben dem Wanderer das Wasser in die Augen und dürften ihn von jedem weiteren Besuch dieser Länder abhalten.
Auf den Keramikkacheln (azulejos) der Bahnhöfe mit Sittenbildern aus alter Zeit sieht man allerdings Szenen vor kahlgeschlagenen Bergen; vielleicht ist die hiesige Bevölkerung auf die gründliche Aufforstung genauso stolz wie es die Deutschen während der Fichten-Diktatur in den Zeiten des Wirtschaftswunders waren. Selbst wenn es so etwas wie eine forstwissenschaftliche Rechtfertigung für diese Aufforstungen gäbe, etwa, dass der Akazien-Anteil zur Bodenverbesserung in einer Anbaufolge dienen sollte, könnte man zu der Befürchtung gelangen, dass im Gegenteil mit ihnen das Schicksal des mediterranen Ökosystems besiegelt ist.
Am Tag, an dem ich den aus meiner Sicht eigentlichen Höhepunkt portugiesischer Kultur besichtigen wollte, den botanischen Waldgarten von Buçaco, wachte ich früh genug auf, um eine sportliche Übung zu machen, ging in den Supermarkt, um mich für ein Picknick zu versorgen und brauchte dann noch viel Zeit, um einen funktionierenden Geldautomaten zu finden. Da die Früchte schon schimmelten, musste ich sie schnell verspeisen und mir danach die Hände waschen. Ein Springbrunnen fand sich erst in der Nähe des Abfahrtsbahnhofs, und jetzt hatte ich wieder viel zuviel Zeit, die ich in einem dieser unzähligen als Cafés getarnten Almosen-pflichtigen Wartezimmer verbringen musste.
Der Zielbahnhof war schnell erreicht, ein Taxifahrer brachte mich tausend Meter in den Wald hinein und auf seine Empfehlung hin ließ ich mir von livrierten Hoteldienern des Schlosses eine Karte geben. Der Wald von Buçaco ist von einer Mauer umgeben und von Eucalyptus-Plantagen und konnte auch dadurch vor Eingriffen geschützt werden, dass Eingreifende durch eine päpstliche Bulle mit der Exkommunikation bedroht wurden - eine Methode, die sich durchaus auch in unserer Zeit begründen liesse.
Es gibt keinerlei botanische Erklärungen; es handelt sich um einen Steineichenwald, in den von Mönchen Baumarten der von den Portugiesen entdeckten Länder eingebracht wurden. Aber der Wald konnte sich ungestört entwickeln und es konnte sich ein Waldboden bilden. Bäche plätschern und werden in Becken aufgestaut. Großen Eindruck machte auf mich ein von einer wohl fünfhundert Meter langen Treppe eingefasstes Rinnsal mit vielen Marmorbänkchen und Zierbecken, vollkommen im Waldschatten gelegen.
Einige sakrale oder dem Wasser geweihte Gebäude stehen in dem Wald. Einmal wollte ich ein halb zerfallenes Kapellchen betreten und erwartete schon eine Art Bedürfnisanstalt, doch es hatte sich nur ein Deutscher Schäferhund eingenistet, der zusammengerollt döste und über diesen Ort wachte.
Die einer Märchenwelt nachempfundene Architektur und außergewöhnlich weitläufige Anlage des benachbarten Kurortes Luso lassen ihn als ein geeignetes Urlaubsziel erscheinen. Doch ob man im Zug nach rechts oder nach links aus dem Fenster blickt, überall hat die Holz-Mafia Eucalyptus pflanzen lassen. Mit anderen Worten, mir ist in Portugal bei dieser Reise kein Ort begegnet, der nicht durch seine Umwandlung in eine Plantage für einen Aufenthalt ungeeignet geworden wäre. Hier wird sich möglicherweise eine von Microsoft bezahlte akademische Kapazität finden, die den Fortschritt heraufbeschwören möchte, den die Produktion von Computerpapier über dieses Land bringen werde. Diesen Fortschritt kann ich nur als "nicht der Rede wert" einstufen.
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