Ökologie versus Anthropozentrik
Oft wurden die Lebenserscheinungen als Indikatoren für die dahinterstehenden Ökofaktoren erkannt. Schon Carl von Linné regte beispielsweise an, Klimakarten anhand der Phänologie des Pflanzenwuchses und der Tierwanderungen zu verfertigen [Müller 1981].
Der fast ein Jahrhundert später lebende Alexander von Humboldt gilt als Begründer der Pflanzengeografie, aus der sich die Ökologie entwickelt hat.
Die Verbreitung der Pflanzen als Grundlage auch der tierischen Existenz wurde zu einer komplexen Wissenschaft, die beispielsweise in die folgenden drei Teilgebiete unterglieder wird:
- ökologische Geobotanik = Untersuchung des Standortes von Pflanzenwuchs (Standortslehre)
- floristische Geobotanik = Untersuchung der Verbreitungsgebiete von Pflanzenarten (Arealkunde)
- zönologische Geobotanik = Untersuchung der Vergesellschaftung von Pflanzenarten (Pflanzensoziologie als Teilgebiet der Synökologie)
[Wittig/ Streit 2004]
Ökologie kann als biologische Wissenschaft, aber auch als Wissenschaft von den Stoff- und Energiekreisläufen verstanden werden.
Die Einbeziehung bio-ökologischer Gesichtspunkte in die Verhaltensforschung und Soziologie scheint jedoch in vielen Fällen ein Lippenbekenntnis geblieben zu sein - der Mensch wühlt am liebsten in seinem eigenen Mist herum ...
Ökologie nimmt für sich die "ganzheitliche Betrachtung der Natur" in Anspruch [Piechocki 2007].
Das wird von Manchen als Mystifizierung angefeindet, ist aber ein notwendiger methodischer Ansatz, wie folgendes Beispiel zeigt:
Bei weniger als 300 mm Jahresniederschlag kann sich kein großräumiger Baumwuchs entwickeln, dadurch wird aber außerdem eine weitere Zunahme der Lufttrockenheit bedingt. - Wüstenhafte Bedingungen sind also ganzheitlich betrachtet sowohl die Ursache als auch die Folge fehlenden Baumwuchses.
Ökologie geht dennoch relativ subjektiv vor, nämlich vom Standpunkt der Lebewesen aus: das Ökosystem kann mehr oder weniger als Lebensumwelt betrachtet werden - auch etwa einer Kultur oder des Menschen an sich.
Nur bei extrem subjektiver Handhabung könnte ein solches Ökosystem zu einer Abstraktion werden.
Das naturwissenschaftliche Konzept des Ökosystems wurde von Arthur Tansley 1935 als Ablehnung der Vorstellung eines "höherstehenden" Organismus' oder Gemeinwesens und des Holismus formuliert [Piechocki 2007].
Bei Unterwerfung unter eine immanente höhere Macht - und sei es auch die Physik - könnte man sich erlauben, verantwortliches Handeln und jegliche positive Umweltgestaltung abzulehnen.
Die augenfälligste Erkenntnis der Ökologie ist, dass auch Lebewesen großen Einfluss auf die Umwelt haben; damit sollte man allerdings nicht den Technologie-Einsatz des Menschen verwechseln.
Trotzdem wird auch die Ökologie gerne als weiteres Vollzugsinstrument menschlicher Hybris instrumentalisiert. Viele pseudo-ökologischen Grundsätze ("Der Größere frisst den Kleineren." / "Der Lebenszyklus des Einzelnen bildet den Humus für das große Ganze.") haben durchaus etwas Anrüchiges an sich!
Anthropozentrik
Leider trifft man bei Interesse an der Ökologie häufig auf überdeutliche Determinismen. Einige Ökologen üben sich nämlich darin, alle möglichen menschlichen Handlungsweisen ökologisch zu rechtfertigen. Die Umwelt wird auf ihre Funktion als C-Senke reduziert, damit der Ökologie-Experte weiterhin in seinem riesigen Landrover Unmengen an Sprit verbrauchen darf.
Es gibt auch viele Versuche, die Aktivitäten moderner Technologie als eine natürliche ökologische Stellgröße zu verharmlosen.
Angesichts der Probleme, die die Menschheit beispielsweise mit dem Klima als wichtigem Faktor des Ökosystems hat, muss man sich allerdings fragen, ob die Selbstregulierung von Ökosystemen durch Lebewesen nicht überbewertet wird - schon die Selbstregulation der Welt des Menschen scheint gescheitert zu sein.
Eine nicht unbedeutende Streitfrage entsteht aus dem Problem: wodurch erfolgt die Selbstregulation des Ökosystems - durch die Lebewesen oder durch physikalisch-chemische Prozesse der unbelebten Natur?
Und - könnten sich Lebewesen und Lebensgemeinschaften und damit auch die menschliche Gesellschaft unabhängig machen von diesen externen Prozessen?
Die Funktion von Ökosystemen wollen auch moderne Technokratien ausüben mit dem Argument: warum sollte der Mensch und die industrielle Landwirtschaft nicht schaffen, was die Natur oder sogar primitive Organismen konnten ...
Der menschlichen Technokratie fehlt nur leider die Genügsamkeit und Bescheidenheit autonomer pflanzlicher Primärproduzenten.
Abhilfe sollen anthropogene Produktionssysteme schaffen, die auf hierarchische Gesellschaftsstrukturen beruhen ...
In der Politischen Ökologie [Piechocki 2007] soll sich die extreme Radikalisierung der widerstreitenden Standpunkte vollziehen - Schutz oder Management von Ökosystemen! Dabei wären beide ein begrüßenswerter Ansatz zur Problemlösung, den die reale Politik vermissen lässt.
Den beiden Konzepten liegt (in der Darstellung von Reinhard Piechocki) angeblich auf der einen Seite die konservative Vorstellung von der Bindung an eine übergeordnete Ordnung, auf der anderen Seite ein liberaler Individualismus zugrunde. Und den beiden Auffassungen sollen in der Interpretation Piechockis angeblich exakt die gegensätzlichen Denkschulen der Pflanzensoziologie zur Entstehungszeit der Ökologie entsprochen haben.
Natürlich ist dies nicht die reine Theologie, sondern auch ein Beitrag zur Debatte unserer politischen Irrenhäusler, die als konservativ die Herrschaft des Eigeninteresses oder der Interessen Weniger propagiert und als Ideologie von Liberalen verdammt, was mit den Interessen Vieler vielleicht auch die Sachzwänge der Ökologie vertritt.
Die menschlichen Eingriffe haben eine immer stärkere Nivellierung der Umweltbedingungen hervorgerufen. Da bereits große Kompartimente - der Wald, der Fluss und demnächst das Meer? - nicht mehr funktionieren, soll sich die Wissenschaft ausschließlich auf physikalische, physiologische und genetische Prozesse konzentrieren.
Das gleicht doch sehr einer durch Unfähigkeit eingegebenen Verlegenheitslösung!
-> zur Fortsetzung