Zyklische Vorgänge


Ökosysteme sind "keine starren, unveränderlichen Formationen" [Fellenberg 2007]. Störungen können in Ökosystemen einen Artenwechsel verursachen.
Ökosysteme sind sich ändernden äußeren Faktoren ausgesetzt und erleben interne Veränderungen.
Vor allem ist aber die Entwicklung von Einzelorganismen ein zyklischer Prozess.

Die Photosynthese betreibenden Primärproduzenten beeinflussen ihre Umwelt durch ihren eigenen Stoffumsatz, der das Ökosystem einem inneren, zyklischen Wandel unterwirft.

Beispielsweise geschieht bei gleichbleibenden abiotischen Bedingungen durch das Wachstum von Pflanzen eine 'Sukzession' von Pflanzengemeinschaften.
Sie wird zu den zyklischen Veränderungen innerhalb eines Ökosystems gerechnet [Wittig/ Streit 2004]. Allerdings ähnelt sie durch Akkumulation von pflanzlicher Biomasse eher einem linearen Prozess. In globalem Maßstab hat er der Atmosphäre zyklisch soviel CO2 entzogen, dass es zu Klimaabkühlungen kam; erst diese haben die Vegetationsentwicklung wieder eingeschränkt.

Sukzessionen sind also eigentlich sehr stabile Prozesse, die erst den Rahmen für zyklische Vorgänge abgeben, die sich vor allem aus dem Tod von Einzelorganismen und Störungen ergeben.


Man sollte sich darüber klar sein, dass die Praktiken und Produkte der Menschheit in den meisten Fällen nicht nur eine Störung von Ökosystemen, sondern ihre Zerstörung zur Folge haben.



Sukzessionen


Die Bilanz aus Nettoprimärproduktion und heterotrophem Abbau oder Verzehr ist in frühen Stadien der Sukzession positiv, im Klimaxstadium aber ausgeglichen [Martin/ Sauerborn 2006].

Eine verlangsamte Sukzession führt zu einem Dauerzustand, auch als Klimax-Stadium bezeichnet. Die Sukzession kann auch durch einen Mangel an Wärme und Niederschlägen verlangsamt werden. In den Tropen mit einem Überschuss an Wärme und Niederschlägen können die Organismen durch eine hohe endogene Produktivität die Sukzession verlangsamen. Tundra, Taiga, Laubwald, Steppe, Savanne, Tropenwald werden so zu Endstadien der Sukzession.

Stark beeinflusst werden die verschiedenen Formen der Sukzession auch durch die jeweilige Verfügbarkeit an Nährstoffen, die insbesondere durch Pflanzengesellschaften in Form von Stoffkreisläufen konserviert werden. Die organismische Gemeinschaft schafft also eine Art geschlossenes Ökosystem.


Das klassische Modell der Vegetationsentwicklung oder Sukzession lässt sich folgendermaßen beschreiben [Fellenberg 2007]:

"Erstbesiedlung durch Pioniergewächse" ->
"geordneter Artenwechsel" ->
"Schluss- oder Klimaxgesellschaft"


Ein Biomasseüberschuss der Pioniergewächse wird in den Folgegesellschaften durch Konsumenten und Destruenten keineswegs aufgebraucht, sondern als 'priming effect' eher noch vermehrt.

In Schlusswaldgesellschaften wird die Vielfalt der Umweltbedingungen insbesondere durch Lichtmangel eingeschränkt. Hier halten sich Neuproduktion und Veratmung von Biomasse die Waage.


Die Veränderung der Ökosysteme durch die Lebewesen selbst wird als 'autogene Sukzession' bezeichnet.
Die Veränderung der Ökosysteme durch geologische (z.B. Flussablagerungen, Deltabildungen), hydrologische (z.B. Grundwasserabsenkungen, Moorbildungen) und klimatische Vorgänge wird als 'allogene Sukzession' bezeichnet.
Die evolutionäre Entwicklung der Lebensformen auf Grund der Erdgeschichte wurde sicher von beiden Sukzessionsformen beeinflusst.


Oft wird gerade die gerichtete Aufeinanderfolge von Pflanzengemeinschaften über einen längeren Zeitraum als Charakteristikum der Sukzession beschrieben.

Diese gerichtete Sukzession ist aber weitgehend von unbewohnten Primärstandorten abhängig, die ziemlich selten sind. Man findet sie auf Rohböden infolge von tektonischen und geologischen Prozessen. Häufige Sukzessionsfolgen sind hier beispielsweise Schuttfluren, der Bewuchs von Dünen und die Verlandung von Gewässern.
Eine weitere Ursache gerichteter Sukzession ist die Zerstörung der Vegetation infolge von Bränden, Windwurf oder natürlichem Tod.
[Martin/ Sauerborn 2006]


Die Besiedlung neuer Lebensräume wird als 'primäre Sukzession' bezeichnet, die Wiederbesiedlung gestörter Ökosysteme als 'sekundäre Sukzession' [Wittig/ Streit 2004].

Eine Primärsukzession ist von Pionierarten abhängig.
"Sekundärsukzessionen entwickeln sich beispielsweise nach einem Kahlschlag von Waldflächen. Hier existiert bereits ein nährstoffreicher, humoser Boden, sodass sich von Beginn an anspruchsvollere Pflanzenarten ansiedeln können, echte Pioniergesellschaften fehlen also weitgehend." [Fellenberg 2007]



Störungen


Die Stabilität von Ökosystemen wird aus ihrer Vielfalt abgeleitet. Einzelkomponenten, also in erster Linie einzelne Arten haben keinen großen Einfluss auf das Ganze.
Derartige Komponenten können aber durchaus zu einem bedeutenden Faktor werden, beispielsweise durch die Massenvermehrung von Insekten oder durch fleckenhafte vegetative Ausbreitung.


Gerichtete Sukzession wird oft von Störungen initiiert. Andererseits hinterlassen Störungen nur zum Teil völlig neue, primäre Lebensräume, häufiger hinterlassen sie günstigere, von der Vorgänger-Lebensgemeinschaft optimierte Standorte. Hier können sich sogleich anspruchsvolle Arten entwickeln.


Störungen werden oft durch heterotrophe Lebewesen (Insektenschwärme, Tierherden) verursacht.
Die durch die Technologie der menschlichen Gesellschaft verursachten Störungen sind viel schwerwiegender.

Günter Fellenberg unterscheidet als zusätzliche Sukzessionsform nach Zerstörung von Klimaxgesellschaften die 'regressive Sukzession': "Verursachen die Menschen Umweltveränderungen, dann können bereits existierende Schlussgesellschaften zerstört werden und es stellen sich Ersatzgesellschaften ein, die an die neu geschaffene Situation mehr oder minder gut angepasst sind. Solche Sukzessionen, die von einer bereits bestehenden Schlussgesellschaft wegführen, nennt man regressive Sukzessionen." [Fellenberg 2007]


In den Feuchttropen breiten sich nach intensiver Nutzung oder Kahlschlag als Ersatzvegetation hohe Gräser (Imperata cylindrica und Saccharum spontaneum) oder der kosmopolitische Adlerfarn (Pteridium aquilinum) aus, die eine Waldsukzession verhindern. In diesem Zusammenhang entsteht also das Problem der fehlenden Regeneration gerodeter Waldlandschaften.

Es wird verdrängt, dass dieses Phänomen der ökologischen Degradation nicht nur in den Tropen, sondern auch in Vorderasien und im Mittelmeerraum aufgetreten ist. In Deutschland ist es aus den Heidelandschaften Norddeutschlands und der Eifel bekannt. Man hatte sich des ungenügenden Vegetationsmanagements schuldig gemacht und nicht für eine Naturverjüngung oder Regeneration des Waldes gesorgt.



In Europa und Nordamerika sind die natürlichen Klimaxgesellschaften durch künstliche, "auf unterschiedlichen Stufen der Stabilität gehaltene" Pflanzengesellschaften ersetzt worden, die als 'Klimaxstörung' oder 'Disklimax' bezeichnet werden [Campbell 1987].
Disklimax-Zustände aufrechtzuerhalten ist in gemäßigten Regionen einfacher als in tropischen.


Die agrarische Störung der Klimaxgesellschaft hat nicht nur den Zweck der Selektion einer bestimmten Nutzpflanze, sondern auch Vorteile für die Wuchsbedingungen (Autökologie) der Nutzpflanzen.

In den Waldgesellschaften der feuchten und ausreichend warmen Klimate ist der Lichtmangel begrenzender Ökofaktor. In Klimaten mit offener Vegetation ist es nicht der Lichtmangel, sondern die Konkurrenz von Gräsern.

Rodung der schattenwerfenden Baumschicht und Bekämpfung der Gräser bringen allerdings den Nachteil, dass der interne Nährstoffkreislauf des Ökosystems zerstört wird.


In Fellenberg 2007 wird auf die Ähnlichkeit zwischen agrarischen und "pulsstabilisierten Entwicklungsstufen der Sukzession" hingewiesen. Solche "pulsstabilisierten" Sukzessionsstufen würden hervorgerufen durch "in regelmäßigen Zeitabständen" auftretende Umwelteinflüsse wie Vegetationsbrände oder Überschwemmungen.
In derartigen, gestörten Gesellschaften, besonders in den Flussauen, gebe es "stets einen Überschuss an Biomasseproduktion".
'Pulsstabilisierte Subklimaxgesellschaften' wie das von den Gezeiten determinierte Wattenmeer seien auch immer eine Ressource für die Lebewesen der benachbarten Lebensräume.

Genauso schaffe der Mensch mit seinen Agrarökosystemen Biomasseüberschüsse.


Pionier- und Subklimaxgesellschaften sind zwar produktiv, aber empfindlicher als die durch ihren Artenreichtum gekennzeichneten Klimaxgesellschaften. Das gilt insbesondere für Umweltfaktoren, Schädlinge und die zwischenartliche Konkurrrenz, denen gegenüber Klimaxgesellschaften ein höheres Pufferungsvermögen entwickelt haben. [Fellenberg 2007]

Fellenberg folgert, "dass es nicht angebracht ist, beliebig viele Klimaxgesellschaften gegen Agrarland einzutauschen, weil damit erhebliche ökologische Nachteile einhergehen können".


Die Theorie 'pulsstabilisierter Subklimaxgesellschaften' hat einige Schwächen:

1. Überschwemmungs-Ökosysteme sind in den seltensten Fällen gestört, sondern eher als stabile Klimaxgesellschaften aufzufassen (Beispiele: Auenwald, Mangrove, Wattenmeer, Salzwiesen). Sie erzeugen einen Überschuss an Biomasse, weil sie durch Nährstoffeinträge stabilisiert werden.

2. Durch Vegetationsbrände beeinflusste Ökosysteme weisen allerdings die umgekehrten Bedingungen auf. Teilweise wird überschüssige Biomasse vernichtet, so dass sich der Bestand verjüngen kann.
Bei zu häufigen Bränden wird aber sogar der Vegetationsbestand selbst gefährdet. Durch solche massiven Störungen wird keine Überschuss erzeugt, sondern eine ökologische Degradation eingeleitet.
Die an häufige Brände angepassten Ökosysteme der Trockengebiete zeichnen sich nicht durch eine hohe Produktivität aus.

3. Man könnte die ungünstigen Jahreszeiten unter Einwirkung von Frost oder Dürre ebenfalls als "pulsstabilisierende" Umwelteinflüsse auffassen, doch führen sie auch in diesem Fall zu keinen Überschüssen - das produktivste Ökosystem bleibt der immergrüne Regenwald ohne saisonalem Wechsel der Wuchsbedingungen.




Quellenangaben


Paul Müller: Arealsysteme und Biogeographie. Stuttgart, 1981.

Bernard Campbell: Ökologie des Menschen - unsere Stellung in der Natur von der Vorzeit bis heute. Frankfurt/ Berlin, 1987. (Originalausgabe London, 1983.)

Rüdiger Wittig/ Bruno Streit: Ökologie. Stuttgart, 2004.

Konrad Martin/ Joachim Sauerborn: Agrarökologie. Stuttgart, 2006.

Reinhard Piechocki: Stichwort Ökosystem (Nat.wiss. Rds. 60.Jg. [2007], S.221)
" : Stichwort Politische Ökologie (Nat.wiss. Rds. 60.Jg. [2007], S.277)

"DER BROCKHAUS multimedial premium 2007". Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2007.
- Artikel "Ökosystem"
- Günter Fellenberg: Ökosystem - Störungen und Regulation.