Intro


Esskastanie_aktuell

Ausgabe 30.11.2009



Bisher erschienene Artikel und Ausgaben



Internet-Recherche über Bekämpfungsmaßnahmen gegen den Kastanienrindenkrebs

-- Pathogen und Hypovirus

-- Methodik der biologischen Bekämpfung


Interessante Links

-- Historisches und Tradition

-- Sorten, Anbau und Nachernte








Internet-Recherche über Bekämpfungsmaßnahmen gegen den Kastanienrindenkrebs


Um dem geneigten Leser praxisnahe Informationen zu liefern, habe ich intensiv im Internet recherchiert, welche Mittel und Maßnahmen zur Verfügung stehen, um den pilzlichen Rindenkrebs der Esskastanie (Cryphonectria parasitica) im eigenen Wald oder Garten zu bekämpfen, und von welchen Institutionen oder Firmen sie bereit gestellt werden.

Das Ergebnis ist leider enttäuschend.

Das gilt gerade auch für die französische I.N.R.A., deren Mitarbeiter Jean Grente doch immerhin die biologische Bekämpfung der Krankheit mit hypovirulenten Pilzkulturen entwickelt hatte. Das Zentrum für Mikrobiologie des französischen Pflanzenschutzdienstes scheint sich in Bordeaux zu befinden.

Es gibt im Internet zwar eine ganze Menge Material - auch akademisches - zum Thema, praktische Hilfen für den Fall einer Pilzinfektion werden aber eigentlich nicht geboten. Es werden auch keine kommerziellen Produkte zur Inokulation der Hypovirulenz angeboten wie immer wieder behauptet wird - jedenfalls nicht im Internet!


Eine  Empfehlung kann ich wenigstens aussprechen - die Webseite einer schweizerischen Institution für Land- und Forstwirtschaft, die gleichzeitig auch Inokulationsmaterial bereitstellt. Die  Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL)   stellt hier einen Artikel von Ursula Heiniger/ René Graf/ Daniel Rigling (in: Wald und Holz 2007, Nr.5, S.50) mit zahlreichen Abbildungen zur Verfügung.

In dem Artikel heißt es: "Die Isolation der Pilze, deren Analysen und die Anzucht des hypovirulenten Pilzbreis werden durch die WSL durchgeführt."




Einblick in zwei recht interessante Projekte des Österreichischen Forschungszentrums Seibersdorf, die aber schon zehn Jahre zurückliegen, kann man in einer  "Datenbank für Forschung zur Nachhaltigen Entwicklung" (DaFNE)  nehmen, indem man in dem Suchfeld "Kastanienrindenkrebs" eingibt. - Hier wurde auch die Zusammensetzung eines geeigneten Inokulationsmaterials getestet.



In Deutschland wurde von der Biologischen Bundesanstalt ein Faltblatt herausgegeben und zum Download bereit gestellt, des weiteren eine Veröffentlichung der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Bd.-Wrttbg. ("Waldschutz-Info 5/2004"). Die Broschüren helfen dank der Fotos in erster Linie bei der Erhellung der Symptomatik der von dem Pilz Cryphonectria parasitica ausgelösten tödlichen Krankheit.

Beispielsweise dürfte es sich auch bei meinem  Fund im Kottenforst  um Rindenkrebs handeln und nicht um Hypovirulenz - schließlich war die Krone bereits weitgehend abgestorben! Denn bei stärkeren Stämmen ist der Befall undeutlicher, es bilden sich "unregelmäßige Längsrisse" und starke Wasserreiser, aber keine deutlichen Verfärbungen und Nekrosen.




Pathogen und Hypovirus


Es scheint fraglich, ob die zuständigen Behörden (Pflanzenschutzdienst in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen bzw. Landesanstalt für Pflanzenschutz in Baden-Württemberg) schon Inokulationsmaterial bereit stellen können. Da es hierzulande relativ wenige Befallsherde gab und sicher noch weniger hypovirulente Stämme, reicht das Material möglicherweise nicht aus, um hypovirulente Laborkulturen vornehmen zu können. Da es in Europa kaum Kompatibilitätsprobleme gibt, können die deutschen Pflanzenschutzämter aber vielleicht hypovirulente Kulturen aus anderen Teilen Europas nutzen.


Übereinstimmung herrscht darüber, dass in Deutschland nur selten Perithecien mit sexuell rekombinierten Ascosporen gebildet werden, die neue Rassen oder Kompatibilitätsgruppen des virulenten Pilzes entstehen lassen.

Auf einer Webseite der regionalen Arbeitsgruppe der TACF (The American Chestnut Foundation) in Virginia wird allerdings beschrieben, dass der Vorgang der sexuellen Rekombination mit Hilfe der ungeschlechtlich produzierten Konidiosporen erfolgt ( Informationen und Bildmaterial von Mark Double , West Virginia University):

"Ascospores are produced when an asexual conidium lands on the surface of a canker and enters a structure of the fungus called a trichogyne, a receptive filament of the female organ (think pollen grains and pistils in flowers). The conidium follows the trichogyne filament and fertilization is complete - a diploid cell is produced. This fertilization produces a perithecium, a pear-shaped structure in which the ascospores are produced."

Wenn diese Aussage den biologischen Gegebenheiten entspricht, muss man sich einmal mehr fragen, warum die Rekombination neuer Rassen des Pilzes in Europa so selten erfolgt, und ob sie uns in Zukunft nicht noch bevor stehen könnte.



Auf Grund der Beobachtungen an Laborkulturen ist erwiesen, dass die Übertragung der Hypovirulenz bzw. des Hypovirus durch Anastomose - die asexuelle Verschmelzung kompatibler Pilzhyphen - erfolgt.

Die Hypovirulenz des Pathogens ermöglicht es der Kastanie, sich des Pilzes zu erwehren: die noch gesunden Pflanzenteile können durch Kallus und Korkgewebe von den Herden des Befalls abgeschottet werden.

Eine Inokulation des hypovirulenten Mycels weckt jedoch keine spezifischen Abwehrkräfte im Kastanienbaum wie beim Menschen die Grippe-Impfung, sondern wirkt nur über die Schwächung des Krankheitserregers. - Daher werden in den USA Befürchtungen geäußert, dass die westlichen Kastanien kein ausreichendes genetisches Abwehrpotential besitzen, dass ihr Überleben allein von dem Hypovirus abhängt ... "Some think that the wild American chestnuts that we use in our breeding program, or Large Surviving Americans (LSA), are a product of a virus infected fungus. The cankers on these trees would then be hypovirulent, explaining their survival." ( The American Chestnut Foundation, Virginia Chapter )



Vorbedingung für die Inokulation von Hypovirulenz ist die vorherige Kultivierung hypovirulenter Stämme mit Hilfe der Anastomose im Labor.

Für die Erzeugung einer hypovirulenten Pilzkultur sind mehrere Schritte notwendig:

Zunächst müssen möglichst viele Pilzstämme des Rindenkrebses isoliert und gezüchtet werden mit dem Ziel, die Kompatibilitäts-Typen dieser Stämme zu analysieren. Diese Vorarbeit wird inzwischen Europa-weit verfolgt, was dadurch erleichtert wird, dass die Krankheit meldepflichtig ist.

Desgleichen müssen natürlich auch hypovirulente Stämme gefunden und isoliert werden, was im Falle der Amerikanischen Esskastanie ja äußerst schwer fällt.

Die Übertragung eines kompatiblen Hypovirus in den lokal virulenten Rindenkrebs-Stamm wird technisch ebenfalls zunächst im Labor mit Hilfe von in vitro-Kulturen vollzogen.


Die Autoren Heininger, Graf, Riesling geben an, dass bisher noch keine Methoden zur großflächigen Ausbringung der Hypovirulenz zur Verfügung stehen.

Zu beachten ist außerdem folgender Sachverhalt: Rindenkrebs-Mycel, das von dem Hypovirus befallen wird, stellt sein Wachstum ein, weil es stark geschwächt wird. Aus der nachlassenen Fitness des Pathogens kann sich aber auch ergeben, dass der Pathogen das Hypovirus nicht mehr über seine Sporen weitergeben kann. Es ist bekannt, dass hypovirulente Rindenkrebs-Pilze weniger Fruchtkörper (Pyknidien mit ungeschlechtlich gebildeten Konidien) entwickeln als "gesunde" oder virulente.

Daher müssen die Hoffnungen auf eine natürliche Ausbreitung der Hypovirulenz etwas zurückgenommen werden.






Methodik der biologischen Bekämpfung


Inokulation hypovirulenter Pilzkulturen

Am bekanntesten ist die Arbeitstechnik, ober- und unterhalb von Nekrosen kleine Löcher in die Rinde zu bohren, die mit hypovirulentem Mycel befüllt werden und dann zugeklebt werden. Diese Methode ist auch für ältere Pflanzen mit dicker Rinde geeignet.

An jungen Trieben und bei der vorbeugenden Behandlung von Jungpflanzen haben Ursula Kudera et al., Österr. Forschungszentr. Seibersdorf die Anbringung zungenförmiger Rindenlappen (nach unten offen) empfohlen, die das eingefüllte Pilzmaterial besser vor Regen schützen.


Die "Chambre d'Agriculture Ardèche" in Privas hat 2006 einen Versuchsbericht von Elisabeth Jayne über eine rationellere Aufbringung hypovirulenter Stämme veröffentlicht. Diese Methode eignet sich in Frankreich zumindest gut für jüngere Bäume mit noch glatter Rinde.

Indem befallene Rindenteile zuvor mit einem kleinen Nagelbrett aufgeraut werden, kann Gel mit hypovirulentem Myzel gezielt auf noch lebendes Gewebe aufgebracht werden; die aufgeraute Struktur führt zu weniger Verlusten. Anhand der Eindämmung des Krebses wurde festgestellt, dass diese Methode ebenso wirksam war wie die bisher angewandte, händisch etwas umständliche Methode mit vorgebohrten Löchern.


Diese Rationalisierung der Arbeitsweise kann aber nur in Gebieten umgesetzt werden, in denen es nicht eine so große Vielfalt von Kompatibilitätsgruppen gibt wie in Nordamerika. Dort, aber auch in der Schweiz und in Österreich wird empfohlen, für jeden Inokulationsvorgang, also für jeden einzelnen Baum, eine sorgfältige Desinfizierung der Werkzeuge und auch der Rinde vorzunehmen. Eine Desinfektion wird auch vorgenommen, weil immer eine Hemmung der Entwicklung des eingebrachten Materials durch antagonistische Pilze, die auf der Rinde vorhanden sind, möglich ist.


Es kommt also darauf an, das hypovirulente Labormaterial durch optimale Wachstumsbedingungen zu fördern. Dabei ist vor allem zu beachten, dass es lebendes Kambialgewebe, das die pflanzlichen Produkte der Photosynthese enthält, zu seinem Überleben benötigt und nicht etwa tote Korksubstanz.

Außerdem muss ein optimaler Zeitpunkt mit allgemein günstigen Wachstumsbedingungen abgewartet werden: also das Frühjahr beim Ansteigen der Temperaturen und ohne Gefahr von Frösten und die Vegetationszeit bis zum Spätsommer. Zu vermeiden ist Regenwetter, aber auch starke Sonneneinstrahlung (das Mycel ist bei der Arbeit vor Austrocknung zu schützen und zu demselben Zweck dient die Überklebung).
Im Winter ist lediglich eine Schnittbehandlung und Verbrennung von befallenem Holz möglich, in der Vegetationszeit kann dann die Behandlung der Wunden mit der hypovirulenten Kultur folgen.



Erdmanschette

Schon früh hat man in Nordamerika eine andere Methode der biologischen Bekämpfung des Kastanienrindenkrebses entdeckt, die möglicherweise noch wirkungsvoller ist, aber auch extrem arbeitsaufwändig. Sie beruht nicht auf der Schwächung des Pathogens durch einen Virus, sondern durch antagonistische Bodenpilze.

Der Erfolg dieser Methode wird damit begründet, dass die unterirdischen Rindenteile der Edelkastanien von Cryphonectria parasitica deshalb nicht geschädigt werden können, weil hier Bodenlebewesen die Oberhand besitzen.


Zur Behandlung werden die Krebsstellen einfach großzügig mit frischer befeuchteter Erde bedeckt, die mit einem anderen Material (Folie, Pappe) fixiert wird und vor dem Austrocknen geschützt werden muss. Diese Manschette oder Schlammpackung soll regelmäßig kontrolliert werden (das Krebsmyzel darf nicht über den Rand hinauswachsen) und nach einem Jahr noch einmal erneuert werden.




-> Informieren Sie sich über mein Buch "Die Esskastanien." !





Interessante Links


Immerhin konnte ich bei meiner Suche nach Inokulationsmaterial feststellen, dass seit der Recherche für das Buch "Die Esskastanien" eine ganze Menge neuer Webauftritte über diese Kulturpflanze entstanden sind.

An erster Stelle steht hier das  Kastanien-Dossier  des Portals "Waldwissen.net", das sich allerdings auch mit der Rosskastanie befasst.




Historisches und Tradition

In  historischen Artikeln  aus der Zeitschrift "UNASYLVA" der Welternährungs-Organisation (FAO) wird die Ausbreitung des Rindenkrebses in Italien und Nordamerika aus dem Blickwinkel der Vierziger Jahre beschrieben (englisch, auch in franz. und span.).




In einem Themenheft einer Zeitschrift für Regionalgeschichte erfährt man alles über die Traditionen der Kastanienkultur in der Ardèche (auf französisch):  "Ardèche - Terre de Castanide" .



Besonders mit der harten Arbeit im Niederwald befasst sich eine schöne Webseite über die Kastanienkultur des Limousin:  "Les Châtaigniers en Limousin" .

In dieser Region gibt es noch viele kleine, zweistöckige Steinhäuschen, 'clédier' genannt , welche zum Darren und Räuchern, aber wohl nicht zum Lagern der Kastanien dienten. Das Feuer wurde 3 Wochen lang unterhalten.




© S.T.H. 29.11.09 nach einem Foto von J.C. Rouffy"Les caractéristiques des clédiers" ).






Sorten, Anbau und Nachernte

Besonders erfreulich ist, dass es mehrere französische Portale gibt, die die vielen Dutzend bekannten und unbekannten Lokalsorten der Esskastanie vorstellen:

Am ausführlichsten ist hier  "Châtaignes et marrons en Cevennes" .


Doch auch im Pyrenäen-Gebiet scheint man sich um den Erhalt der  Esskastanien-Sorten  (ebenso wie die der  Weinreben und Früchte ) zu bemühen. Die Sortenbeschreibung ist auch als pdf-Datei vorhanden.


Eine weitere Webseite aus dem Limousin, die  "Association du marron et du châtaignier limousins"  macht ebenfalls Angaben zu lokalen Sorten, vor allem aber auch zur Pflanzung, zum Schnitt, zur Erntetechnik und zur Lagerung.


Die  Kultivateure von Collobrières , einem Ort im Hinterland von  St. Tropez  haben eine umfangreiche Linksammlung zusammengestellt, der ich auch einen Großteil der hier vorgestellten Links verdanke.


Aus dem Fränkischen liefert die deutsche  Handelsfirma "Eichhorn Maroni"  viel wichtiges  Fachwissen über die Behandlung der geernteten Frucht .
Ob es sich bei der Kastanie aber um eine Achäne handelt, dafür möchte ich meine Hand nicht ins Feuer halten ...







Copyright © Stephan Hahn, 30.11.2009; korr. am 11.12.2009; geänd. am 9.2.2010.
All Rights reserved.