Marginalisierung der Agrarproduktion
Die amerikanische Frontier- oder Pionierideologie will die Natur tatkräftig erschließen (- zum maximalen eigenen Nutzen). So wurden u.a. die Prärien des Mittleren Westens, die eigentlich eine agrargeografische Randzone sind, erschlossen und sogar zu einem globalen Player - allerdings auf Kosten der Nachhaltigkeit und zum Preis der Vernichtung eines Bioms, das einen großen Teil Nordamerikas einnahm.
Aus der Agrargeschichte der Prärien weiß man, dass der Einsatz des Stahlpfluges seit Mitte des 19. Jh.s, des Streichblechpfluges seit 1930 und des Volldrehpfluges nach 1950 dem Prärieboden großen Schaden zugefügt hat. Er wurde zu brutal freigelegt und der Winderosion ausgesetzt.
Doch zog die einheimische Agrartechnologie einige Lehren daraus. Seit 1980 erfolgte die Einführung der nichtwendenden Bodenbearbeitung und seit den 90er Jahren die Streifen- und Konturenbestellung. [Ahlers in: DLG 2008]
Die reduzierte Bodenbearbeitung bot eine Chance für agrarindustrielle Extensivbetriebe, gleichzeitig aber auch für ihre Lieferanten an technischer Ausrüstung und Agrarchemie.
Das Modell der technischen Erschließung der amerikanischen Prärie wurde in Länder exportiert, die von ähnlich marginaler Produktivität sind. An erster Stelle stehen hier die saisonal trockenen Gebiete Südamerikas in Argentinien, Paraguay und Brasilien.
Die ökonomische Ausbeutung der am Rande der Trockenzonen liegenden Savannen und Mediterrangebiete wurde auch von den europäischen Kolonialmächten in Afrika angestrebt [Glantz 1994].
Wo vorher Wechselfeldbau oder gar Brandrodung mit langen Brachezeiten üblich war, wurde eine maschinelle und dauerhafte Rodung (auch der Wurzelstöcke) angestrebt. Diese Form der Entwicklung führte aber bereits beim "groundnut scheme" 1947 – 1952 zu Missernten und einem gewaltigen Misserfolg [Gourou 1956].
Die Funktion der Vegetationsdecke wurde von westlichen Kulturtechnikern seit jeher missachtet.
In Nord- und in Ost-Afrika wurden die örtlichen Kleinbauern zunächst infolge der Kolonialherrschaft und später durch die neuen politischen "Eliten" in marginale Gebiete verdrängt, die besonders dürre- und erosionsanfällig sind. Das westliche Produktivitäts- und Extraktionsmodell des agrarischen Großbetriebes war also an der Übernutzung ökologisch benachteiligter Regionen ursächlich beteiligt - auf der anderen Seite natürlich auch der hohe Bevölkerungsdruck dieser Länder.
In Algerien wurde in den 80er Jahren die Vergabe marginaler Anbauflächen (800000 ha in der Wüstenzone und im ariden Hochland) zwecks Erhöhung der Produktion offizielle Politik; weitere 1,2 Mio. ha sollten durch Aufgabe der Brachepausen gewonnen werden. Die Degradation dieses Landes ist vorhersehbar. [Swearingen 1994]
Übrigens hat der sowjet-russische industrialisierte Agrarkolonialismus besonders in Mittelasien zu noch weit schlimmeren Verheerungen geführt als der beschriebene westliche Kolonialismus.
Leider scheint die EU aus diesen Prozessen keine Lehren gezogen zu haben; sie subventioniert das Großinvestment in Ackerland.
Das en gros aufgekaufte Land kann pro forma extensiv mit Großtechnologie bewirtschaftet werden, auch wenn es dabei kaputt geht. Kennzeichen dieser Wirtschaft ist, dass sie fast ohne Arbeitskräfte auskommt.
Selbst wenn das Großinvestment auf eine Produktion nach ökologischen Richtlinien umstellen würde, wäre das in sozialer Hinsicht ein 'greenwashing'.
Ein Aktivist behauptet, die EU habe den ländlichen Strukturen in Rumänien mehr geschadet als die Zeit des Ostblock-Kommunismus. Es gab nur eine kurze Phase der Hoffnung infolge der Entkollektivierung. [arte-Reportage 2017: "Rumäniens Agrarflächen vor dem Ausverkauf"]
Die EU-Bürokratie ist auf industrielle Maße zugeschnitten, dasselbe gilt auch für die Vertriebsstruktur durch Discounter in der EU.
Das postkommunistische Agrarland ist längst auf Investoren aufgeteilt, während Subsistenzbauern nicht einmal wissen, wie sie die Grundsteuer bezahlen sollen.
Die Vertreibung der Bevölkerung aus der Urproduktion schädigt und marginalisiert nicht nur die Agrarkultur, sondern auch die ländliche Bevölkerung.
Genausogut könnte die EU in den Städten Immobilienfirmen subventionieren, die Niedrigverdiener aus Sozialwohnungen vertreiben.
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