Katastrophale Stark- und Dauerregen am 13. - 15. Juli 2021 (Fortstzg.)




Einführung
- Regenmengen
- Einfluss von Boden und Relief
- Die linksrheinischen Gewässer
Betroffene Regionen
- Katastrophenregion Sauerland
- Zülpicher Börde
- Die Region um Aachen
- Wallonien und Limburg
- Rheinland-Pfalz
Angreifbare, zerstörte und zerstörerische Infrastruktur
Wertung der Ereignisse
Quellen und Links




Regenmengen

"Im Juli fielen bundesweit im Mittel rund 110 Litern pro Quadratmeter (l/m²) und damit knapp 40 Prozent mehr Niederschlag als im Durchschnitt der Referenzperiode 1961 bis 1990 (78 l/m²). Verglichen mit der Periode 1991 bis 2020 lag das Plus bei fast 25 Prozent." [DWD, am 30.07.2021]
Es scheint durch den Klimawandel einen Trend zu regenreicheren Sommern zu geben, was bei den vorangehenden beiden Dürrejahren erstaunlich wirkt.

Nach den Wetterkarten des Deutschen Wetterdienstes summierten sich die Niederschläge im Gesamtmonat Juli des Katastrophenjahres 2021 besonders in der Schweiz, weniger im Westen Belgiens zu außergewöhnlichen Mengen. In diesem Raum (inkl. dem benachbarten Frankreich), weniger in den deutschen Katastrophengebieten lagen die Juli-Niederschläge mehr als 70 mm oder 100 % über dem langjährigen Monatsmittel von 1951-2000. [DWD, Wetterkarten]


Extreme Regenfälle fielen sowohl am 13. (Dienstag) als auch am 14. (Mittwoch) Juli. An diesen beiden Tagen ist mit 150 mm mehr als die doppelte Regenmenge des langjährigen Mittels (1981 – 2010) für den ganzen Monat Juli niedergegangen.

Die eigentliche Niederschlags- und Flutkatastrophe hat sich während 15 Stunden seit dem frühen Morgen des 14. Juli ereignet. "Die maximale Stundenintensität des Niederschlags erreichte 33 mm." [CEDIM, am 21. Juli 2021]
In der Hocheifel begann der Regen zwei Stunden später als in Köln.

Anhand der Karte des Regenradars RADOLAN fielen die größten Regenmengen an diesem Tag aber nicht dort, wo die katastrophalen Flutwellen entstanden, also in der Nordeifel, sondern in der Südeifel. Die dortigen Niederschlagsmengen werden aber nicht als außergewöhnlich eingestuft, während in einem Streifen vom Venn-Fuß über die Nordeifel bis nach Köln und ins Bergische Land das jeweils zu erwartende 100-jährige Niederschlagsereignis überall überschritten wurde, im Kölner Raum sogar um mehr als 50 mm. [CEDIM, am 21. Juli 2021]

In einer nach Postleitzahlen-Bereichen aufgeschlüsselten Analyse zeigte sich, dass das Stadtgebiet von Köln mit Abstand die höchsten Regenmengen in Deutschland erhielt, gefolgt von der Gegend um Altena, Hagen und Lüdenscheid. In einigem Abstand folgen Gebiete in der Westeifel (Kall, Dahlem), bei Aachen und in der Nordeifel (Bad Münstereifel, Nettersheim). [CEDIM, am 10. August 2021]


Niederschlagsdaten des Deutschen Wetterdienstes:
In einem Katastrophengebiet vom Niederrhein bis Trier "wurden weitflächig mehr als 100 l/m² Niederschlag in 72 Stunden" und punktuell noch weit höhere Niederschläge gemessen [DWD, am 21.07.2021].
In Hagen-Holthausen gingen am 14.7. innerhalb von 22 Stunden 241,3 l/m² Regen nieder, allein 66,0 l/m² innerhalb von 1 Stunde.
An der Station Wipperfürth-Gardeweg des Deutschen Wetterdienstes wurde am 14.7. eine Regenmenge von 162,4 l/m2 gemessen [DWD, am 30.07.2021].
In Köln-Stammheim gingen am 14.7. innerhalb von 24 Stunden 159,8 l/m² nieder [DWD, am 21.07.2021].


Die Wetterstation am Köln/Bonner Flughafen hat am 14.7. "zwischen 6 und 22 Uhr eine Niederschlagsmenge von knapp 90 l/m² gemessen" [Kreisstadt Siegburg, am 15.07.2021].

Auch im linksrheinischen Gebiet wurden am 14. beträchtliche Regenmengen gemessen, insbesondere in Kall-Sistig, Dahlem-Schmidtheim und der Station Schneifelforsthaus [Météo France, 16. Juli 2021].

Laut DWD war der Spitzenreiter die Wetterstation Rheinbach-Todenfeld mit 158 l/qm innerhalb von 24 Stunden [DWD, am 15.07.2021].


Während in Köln innerhalb von 12 Stunden 145 mm Regen erhielt, verteilten sich ähnlich hohe Niederschläge in Nordfrankreich und Wallonien über einen etwas größeren Zeitraum. Seit Montag, dem 12. Juli regnete es praktisch ununterbrochen, so dass auch hier die Gesamtniederschläge 150 mm überschritten, die Gewässer aber etwas langsamer anstiegen. [Reporterre, 17. Juli 2021]

Die Regenmengen erreichten in Ost-Belgien am 14. Juli 160 mm und am 15. Juli 120 mm, so dass sie sich über 48 Stunden in Jalhay auf 271,5 mm, in Spa auf 217,1 mm summierten (beide Orte befinden sich südlich von Vérviers und Eupen). [belgische Wikipedia, 24. Juli 2021]


Im Chiemgau und Berchtesgadener Land fielen dann am 17. Juli innerhalb von 24 h teilweise über 100 l/m². Dort fiel mit über 350 l/m² auch die größte Monatsmenge. [DWD, am 30.07.2021]
Im Berchtesgadenen Land sind aber für unsere Verhältnisse extreme Regenmengen nichts ungewöhnliches.


Überhaupt ist, was für Westdeutschland eine nie dagewesene Katastrophe war, in anderen Weltgegenden Normalität:
In den Inneren Tropen fallen vielerorts fast jeden Monat mehr als doppelt so hohe Regenmengen wie in diesem Katastrophen-Juli in Deutschland.
Während des Sommermonsuns fallen in indischen Städten innerhalb eines Monats mehr Niederschläge als in Deutschland während eines ganzen Jahres.
Auch bei tropischen Zyklonen (Hurrikans, Taifune) fällt mehr Regen als in Deutschland in einem ganzen Jahr. [Wiedersich 2003, S.210]


Wenige Tage später gingen bei einem ähnlich außergewöhnlichen Starkregen in Zhenghzou, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Henan, 600 mm in 24 h nieder; das entsprach knapp dem Jahresniederschlag von Zhenghzou. Innerhalb einer Stunde sollen bis zu 200 mm Regen gefallen sein. [Dietz, uwr.de]


Eher gemäßigte Klimaregionen haben also im Sommer 2021 das Auftreten tropischer Niederschlagsmengen durchlebt.



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Einfluss von Boden und Relief

Es wurde vermutet, dass die Böden des nordwestlichen Europas vom westlichen Tiefland bis zu den Westalpen bereits wassergesätigt waren [Météo France, 16. Juli 2021].


Allerdings bestand noch im Frühjahrsquartal 2021 (März bis Mai) - besonders zwar in Ostdeutschland, aber auch am Nieder- und Mittelrhein, Main und Neckar - eine negative klimatische Wasserbilanz [Wetterkarten des DWD].
Diese verschärfte sich im Sommerquartal (Juni bis August) in der Nordhälfte Deutschlands weiterhin. Die Unwettergebiete im Süden NRWs, in der Eifel sowie in Baden-Württemberg und Südbayern bildeten dazu einen deutlichen Gegensatz.


Im nordrheinwestfälischen Tiefland hatte die Wassersättigung des Bodens offenbar erst einen geringeren Grad erreicht [DWD, am 21.07.2021].

Die Niederschlagsüberschüsse der Überflutungsgebiete waren in der vorangehenden Periode nur moderat gewesen, die Böden aber dennoch gesättigt [CEDIM, am 21. Juli 2021].


Die sich zyklonisch gegen den Uhrzeigersinn bewegende Regenfront traf von nördlichen Richtungen her auf die westdeutschen Mittelgebirge.

Weil der Regen aus Nordosten kam, hat die Nordabdachung der Eifel zu einem sehr wirkungsvollen Regenstau geführt.

Nach dem Meteorologen Björn Goldhausen ist das in der Eifel eine bekannte Erscheinung: "Kommt Niederschlag aus Südwest, ist das meist kein Problem in der Eifel, auch wenn es regional Staueffekte geben kann. Heftig sind sie, wenn der Regen aus Norden oder Nordosten kommt." [Interview von Anke Mersmann in: Rhein-Zeitung 17. Juli 2021]


Auch verstärkte das Relief der betroffenen Mittelgebirgsregionen mit eingeschnittenen Flusstälern den Oberflächenabfluss.
Die Eifel mit einem weit schrofferem Relief als die rechtsrheinischen Mittelgebirge übte besonders im Ahrtal einen zusätzlichen Düseneffekt aus auf die hohen Niederschlagsmengen.


Auf die sich nördlich anschließende platte Bördenlandschaft wirkte die Nordeifel vor allem über den Bergeffekt abfließenden Wassers ein.

Das war das eigentlich Erschreckende dieses Flutereignisses: die Überflutung von fast ebenen Landschaften am Fuß der Nordeifel.
Vielleicht hat dazu die starke Versiegelung der Landschaft am Niederrhein durch Einfamilienhaus-Siedlungen beigetragen.


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Der Ohrbach bei Euskirchen, am 20.7.2021. Ein kleiner Bach hat in der vollkommen flachen und ausgeräumten Börde bei Flamersheim solche Schäden verursacht. © Creative Commons - Lizenz (CC-BY-SA-4.0), Bildautor Raimond Spekking .


Doch auch am nördlichen Niederrhein war es ohne diesen Bergeffekt allein auf Grund der Menge der Niederschläge zur flächendeckenden Flutung von Feldern und Landschaften gekommen.



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Die linksrheinischen Gewässer

Im Einzugsgebiet der Flüsse und Bäche westlich des Rheins fiel innerhalb von 3 Tagen (72 Stunden) teilweise fast doppelt soviel Regen wie sonst im gesamten Sommermonat Juli [DWD, am 21.07.2021].
Das trifft insbesondere für die Erft (129,5 l/m² gegenüber einem Juli-Mittel im Zeitraum 1991 - 2020 von 67,9 l/m²) und die Ahr (115,3 l/m² gegenüber einem Juli-Mittel von 69,4 l/m²) zu, aber auch für Rur, Prüm und Kyll.
Der Löwenanteil dieser Niederschläge fiel jeweils am 14. Juli.
Die Pegelhöchststände wurden in der Eifel am folgenden Tag erreicht, um schon bald wieder stark zurückzugehen, da die Niederschläge zum Glück aufhörten.
[DWD, am 21.07.2021]



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Auf der Rheinseite der Eifel gab es kein Hochwasser. Vinxtbach in Rheineck, am 15.7.2021. © STH.


Die dort an den Pegeln gemessenen Abflüsse lagen weit über allen bisher gemessenen. Außerdem auch weit über dem theoretischen HQ100-Werten (Hochwasser mit 100jähriger Wahrscheinlichkeit), und zwar am Pegel Müsch am Oberlauf der Ahr um einen Faktor von 2,1 und am Pegel Kordel am Unterlauf der Kyll um einen Faktor von 2,4. [CEDIM, am 21. Juli 2021]

Nach in Baden-Württemberg angewendeten Statistik-Methoden wären die Hochwasserereignisse an Ahr und Kyll sogar einem Bereich jenseits eines HQ10000-Ereignisses (Hochwasser mit 10000jähriger Wahrscheinlichkeit) zuzuordnen [CEDIM, am 21. Juli 2021].
Ein Ahr-Hochwasser im Jahre 1804 mit geschätzten Abflüssen von 1180 m³/s war sogar noch weit jenseits des HQ-Ereignisses von 2021 einzustufen.


Für die anfallenden Wassermassen waren die Pegelanlagen nicht ausgelegt. In den Hochwassergebieten fielen sie aus, ohne die tatsächlich erreichten Werte messen zu können.


Welches waren die betroffenen Gewässer?

Der Swistbach entspringt nordwestlich von Bad Neuenahr-Ahrweiler bei Kalenborn in nur etwa 300 m Höhe. Trotzdem verursachte der Swistbach bereits an seinem Oberlauf (Esch, Vettelhoven) Überflutungen und schwere Schäden. In Gelsdorf wurde auch das Impfzentrum des Landkreises Ahrweiler geflutet. [SWR-GoogleMap]


Das Einzugsgebiet der Steinbachtalsperre liegt in 300 bis unter 500 m Höhe.
Der Steinbach mündet in den Ohrbach, der weitere Ablauf dann in den Swistbach und die Erft.

Nach Experten-Meinung hätte bei einem Dammbruch der Steinbachtalsperre die Flutwelle bis Rheinbach nur eine Stunde, bis Heimerzheim zwei Stunden und bis Erftstadt vier Stunden gebraucht. [Jörg Manhold in: General-Anzeiger, 21.Juli 2021]



Erft und Ahr entspringen im selben Eifelgebiet bei Blankenheim in etwa 500 m Höhe.

Wie ein YouTube-Video zeigt, verschärfte der Sahrbach die Situation in Kreuzberg, dem südlichsten Ortsteil von Altenahr, weil er dort in die Ahr mündet.


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Altenahr-Kreuzberg auf dem linken, westlichen Ahrufer, am 15.7.2021. © Creative Commons - Lizenz (CC-0-1.0) , Bildautor Martin Seifert .


Auch die Zuflüsse Liersbach und Ahrbach am Oberlauf der Ahr verursachten Überschwemmungen.
Der kleine Adenauer Bach scheint dagegen keinerlei Einfluss auf die Abflüsse der Ahr gehabt zu haben.


Ähnlich wie die Dörfer am Oberlauf der Ahr wurde Bad Münstereifel und sein historischer Stadtkern am Oberlauf der Erft durch Überflutung schwer geschädigt [NEWS am 15. Juli 2021].

Die Erft durchfließt zunächst Bad Münstereifel, dann Arloff, dann Euskirchen; diese Stadt allerdings in eher peripheren Stadtgebieten.

Auch Erftstadt ist nicht direkt von einer Hochflut der Erft bedroht, denn nur die Ortsteile Bliesheim und Blessem liegen direkt an ihrem Flussbett. Andererseits durchfließt die Erft die Stadt Bergheim weiter flussabwärts, wo aber keine großen Schäden mehr vermeldet wurden.

Die Erft besitzt laut Wikipedia Hochwasserrückhaltebecken, die am 14. Juli geöffnet wurden. Es handelt sich um die Rückhaltebecken Eicherscheid in der Eifel und Horchheim, Weilerswist und Kerpen-Mödrath in der Zülpicher Börde.


Die Umsetzung der nach der Flutkatastrophe von 1910 geplanten Anlage großer Regenrückhaltebecken im Ahr-Gebiet war jedoch zugunsten des Baus des Nürburgringes verhindert worden [Wikipedia, 2. August 2021].


Die Rur entspringt am Hohen Venn südlich von Monschau, füllt zusammen mit Olef und Urft die Rur-Talsperre auf, fließt dann durch Düren und nahe an Jülich vorbei und mündet bei Roermond in die Maas.

Die Inde entspringt südlich von Aachen und mündet südlich von Jülich in die Rur. Der Vichtbach hat das selbe Quellgebiet und mündet zwischen Stolberg und Eschweiler in die Inde.


Kyll und Prüm entspringen im belgischen Grenzgebiet am Rand des Hohen Venn bei rund 600 m Höhe und wenden sich dann nach Süden. Die Prüm mündet in die Sauer, dem Grenzfluss zu Luxemburg, die Kyll mündet bei Trier-Ehrang in die Mosel.



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