Literatur-Empfehlung



Bruno Manser: Tagebücher aus dem Regenwald 1984 - 1990.

Christoph Merian Verlag; 2. Aufl., 2004.
4 großformatige Paperbacks, 720 Seiten, zahllose Abb., Preis ca. 64,00 EU.



Zum Text

Sechszehn Skizzenbücher Bruno Mansers wurden hier werkgetreu in Text umgesetzt. Zahlreiche ganze Seiten und Detail-Zeichnungen aus den Tagebüchern wurden reproduziert.

Die Aufzeichnungen Mansers, der wahrscheinlich in Borneo oder Sarawak umgekommen ist, reichen bis etwa 1989/90. Das letzte Tagebuch ist teilweise stark lückenhaft, teilweise noch im Entwurfsstadium. Tagebuch 15 enthält im O-Ton die endlose Klage der Penan, der letzten Regenwaldbewohner von Sarawak.

Die Tage- oder Notizbücher 1 - 14 lesen sich wie ein Roman, die Zeichnungen liegen irgendwo zwischen Comic und Velazquez.

Mit der Sprache eines einfachen Menschen und einer erstaunlich gelungenen Malerei wird hier ein neues mythisches Universum bzw. ein neuer ethnologischer Erdteil zugänglich gemacht. Auch die botanischen Abbildungen sind von großem Wert.

Die natur- und völkerkundlichen Beschreibungen Mansers reichen in mancher Hinsicht an die Humboldts heran, indem sie eine Gesamtschau bieten und alle Gegenstände mit wissenschaftlichem Interesse betrachten, analysieren und beschreiben.

Aufgewertet werden diese Aufzeichnungen dadurch, dass sie vom Blickwinkel des wirklichen Dschungelbewohners aus entstanden, der sich aber nicht allein mehr mit den allzumenschlichen Nöten des Lebens, sondern nun auch noch im Dschungel globalisierter - oder besser privatisierter Wirtschaftsinteressen zurechtfinden muss.

Dieser ethnologische Standpunkt unterscheidet sich von dem Humboldts - eines Prospektors mit wissenschaftlichem Anspruch, der die Legitimation hatte, die Besitztümer der spanischen Krone zu beschreiben.


Der Autor konnte keine bezahlte ethnologische oder botanische Feldforschung leisten, sondern musste sich in einem Krieg behaupten, den die malayische Regierung und die Logging-Firmen gegen das Waldland und seine Bewohner führen.

Zu deren Ehrenrettung muss allerdings gesagt werden, dass sie die “Wilden” immerhin reden lassen und sich damit mit ihnen auf eine Stufe stellen.
Die Penan wurden nicht massakriert, wie es mit vielen Völkern durch die europäischen Kolonisatoren geschah oder heute noch durch amerikanische Oligarchen geschieht.

Tatsächlich werden die Penan und ihre Lebensumstände aber missachtet, ihre Lebensgrundlagen werden ihnen genommen, politische Abmachungen werden einfach nicht eingehalten - das ist faktisch und psychologisch ebenfalls ein Massaker.

Auffallend ist die bewusste Gewaltlosigkeit der Penan (im Gegensatz zu manchen Amazonas-Indianern). Trotzdem bestehen sie entschieden auf dem Rechtsbruch der Logger und der malayischen Regierung, der darin besteht, dass diese die natürlichen Ressourcen von Sarawak zerstören, das einzige Mittel der Penan zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes.

Die vermeintlich zivilisierten Gesellschaften Südostasiens scheinen nicht fähig zu sein, diesen Zusammenhang zu begreifen.

Die malayische Ordnungsmacht blamiert sich nach Kräften durch ihre Maßnahmen zur Durchsetzung des kriminellen Gelderwerbs; sie kann aber die ebenso hilf- wie respektlosen Waldbewohner nicht einschüchtern: “Sind wir Makakken? Du gibst ihm zusammengekratzte schlechte Sagospeise, und er ist fröhlich.”



Dieses Werk ist eine enorme naturkundliche und ethnologische Leistung, wenn man bedenkt, dass sie in einer äußerst naturnahen Situation und in großer Isolation, wenn auch mit der vollen Unterstützung der Penan erbracht werden musste.

Nachteilig für den gewöhnlichen Leser ist, dass zwar viele Tiere, Pflanzen und Gegenstände abgebildet werden, diese aber nur mit Penan-Begriffen benannt sind. Die Artenbeschreibungen wollen zumeist ohne biologische Nomenklatur auskommen, so dass sie nur von Spezialisten eingeordnet werden können. Zumindest bei den Tiernamen sind dem Autor auch einige Irrtümer unterlaufen, die ich klarstellen werde.

Dieser Artikel soll dazu beitragen, dass die Erinnerung an die Naturgeschichte Sarawaks nicht mit den Namen dieser alten Sprache erlischt.


Die Aufzeichnungen Bruno Mansers sind weit davon entfernt, eine genaue Darstellung des örtlichen Naturraumes abzugeben. Bruno Manser bezweckte vielleicht auch eher, die Penan und ihre Lebensweise vorzustellen.

Ausführlich behandelt werden die Jagd und die Nutzpflanzen. Alles, was die Penan nicht essen oder auf andere Weise gebrauchen können, wird von ihnen nicht beachtet ... Von den Pflanzen werden häufig nur die Früchte abgebildet, im zweiten und im vierzehnten Tagebuch auch eine Reihe von Krautpflanzen, die oft einen medizinalen Gebrauch finden.

Von großem Reiz ist die Vorstellungswelt, die uns der Autor mitteilt, indem er eine Fülle von Erfahrungen, Märchen und Schwänken der Penan aufzeichnet.

Auch die handwerklichen Fähigkeiten des nomadischen Waldvolkes werden en detail vorgestellt.


Die Tagebücher entstanden als fortschreitende Sammlung der Beobachtungen und grafischen Skizzen Mansers, sowie der kollektiven Erfahrungen der Penan.
Zwar befasst sich der Autor immer ohne Abschweifungen mit einem bestimmten Thema, doch wird dem Leser keine Hilfe gegeben, sich in den vorliegenden vier Bänden zurecht zu finden.

Einen groben Überblick über den Inhalt kann ich mit den folgenden Betrachtungen geben.




Gliederung des Stoffes:


Kultur vor der Kultur

Lebensbedingungen

Jagd als Ernährungsgrundlage

Handwerkliche Kultur

Pflanzenbau

Lebensart

Die Nahrung

Wildleben

Naturressourcen





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