Aktuelle meteorologische Theorien zur Ursache der Starkregen-Katastrophe 2021 (Fortstzg.)




Einleitung
Das flüchtige Tief 'Bernd'
- Bewegungsrichtung der Unwetter
Trogwetterlage, Kaltlufttropfen und Höhentief
- Höhentief und Kältetief
Wetterlage des 'Europäischen Sommermonsuns'
Außergewöhnliche Mengen an 'niederschlagsfähigem Wasser'
Zusammenhang mit dem Klimawandel
Quellenangaben




Zusammenhang mit dem Klimawandel


Die Vorgänge in der Eifel zeigen, dass inzwischen auch relativ punktuelle oder regionale Starkregenereignisse katastrophale Wassermassen hervorbringen können, während in früheren Jahrhunderten eher großräumige Flussysteme und länger andauernde Regenperioden, die darüberhinaus im Allgemeinen mit Tauwetter verbunden waren, mit Verheerungen durch Hochwasser verknüpft waren.


Auch in diesem Fall waren sehr große Räume in das Wettergeschehen miteinbezogen, die allerdings nur relativ konzentriert zu Extremniederschlägen und Katastrophen führten.

Die klimatische und Witterungssituation war vor allem durch ihre Dauerhaftigkeit gekennzeichnet. Schon der bisherige Sommer war durch starke Regenfälle und Gewitter geprägt gewesen. Sie werden als die Folge regelmäßiger Kaltlufttropfen an der Westflanke blockierender antizyklonischer Bedingungen über Nord- und Ost-Europa beschrieben [Météo France, 16. Juli 2021].

Diese Bedingungen waren geprägt duch eine Hitzewelle im Baltikum und in Skandinavien, die es den Luftmassen ermöglichte, eine große Menge von Wasser aufzunehmen. Diese Wärmedynamik scheint direkt mit dem Klimawandel zusammenzuhängen. [Météo France, 16. Juli 2021]


Man kann argumentieren, die erzeugte Wärme und hohe Luftfeuchtigkeit hätten tropische Verhältnisse und ein entsprechendes Tief mit entsprechenden Regenmengen herbeigeführt.
Nach eigener Beobachtung glichen die niedergehenden Wassermassen dem, was ich mir unter heftigen Monsunregen vorstelle. Die niedergehenden Regenmassen waren allerdings mit dauerhaft bedecktem Himmel verknüpft, was nicht unbedingt den Bedingungen eines tropischen Klimas entspricht. Sie lassen sich auch ziemlich eindeutig mit einer zyklonartigen Wetterlage in Verbindung bringen.


Das 'Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology' beruft sich in seiner abschließenden Analyse des Unwettergeschehens auf einen europäischen Ausschnitt der Höhenkarten der US-Behörde für Meteorologie zum 500-hPa Geopotential:
".. über dem Süden Frankreichs treten große negative Anomalien in der Geopotentialfläche hervor, die bis über 8 gpdm unter ihren langjährigen Vergleichswerten (1981 – 2020) liegen. Nördlich des Höhentiefs spannt sich ein riesiges Areal mit positiven Geopotentialanomalien vom Seegebiet südwestlich von Irland über das Baltikum bis zur Ukraine. Die Abweichungen über dem Baltikum und über Weißrussland betragen mehr als 16 gpdm." [CEDIM, am 21. Juli 2021]


Bei eingehender Betrachtung der gesamten nördlichen Halbkugel wird also klar, dass es eigentlich gar nicht um das obskure Höhentief geht, sondern darum, dass vielmehr die Warmluftfront des Höhen-Hochdrucks in diesem Jahr ungewöhnlich weit nach Norden vorgerückt war. Sie war nicht nur die Ursache der blockiernden Hochs im östlichen Europa, sondern auch der verheerenden Waldbrände im südlichen Europa und der extremen Hitze im pazifischen Nordamerika.

Ebenso sind die übermäßigen Juli-Niederschläge und der anhaltend feuchte Sommer nicht allein auf eine nicht sehr außergewöhnliche Troglage über Mitteleuropa zurückzuführen, sondern vor allem auf sie umgebenden ungewöhnlich warmen Luftmassen, die dementsprechend große Feuchtigkeitsmengen in die Tiefdrucksysteme transportieren konnten.


Viel besser dargestellt als irgendwo in Deutschland wird dies auf der Webseite www.meteociel.fr, die ihre Daten allerdings teilweise nur von der us-amerikanischen Wetterbehörde NOAA beziehen konnte. www.meteociel.fr unterhält ein komplettes Wetterdaten-Archiv von 1836 bis in die Gegenwart.
Damit lassen sich die aktuellen Wettererscheinungen - beispielsweise das Vorrücken der subtropischen Hochdruckzone - mit denen von 185 zurückliegenden Jahren vergleichen.

Das hier ebenfalls zugängliche Wetterdaten-Archiv des europäischen Satelliten-Projektes 'Copernicus' beschränkt sich auf die Zeit von 1950 bis in die Gegenwart und hatte die Juli-Ereignisse leider noch nicht archiviert.

Bei Vorliegen eines solchen ganzen Kartensets von Druck, Luftströmungen, Niederschlägen usw. für ein ganz bestimmtes Zeitfenster kann man die komplexen Vorgänge des Klima- und Wettergeschehns um einiges besser verstehen.


Bis in die 60er Jahre beschränkte sich die subtropische Warmluft der europäischen Höhenhochs auf den Mittelmeerraum südlich der Alpen und Pyrenäen. Was nun als ungewöhnliche polare Ausbuchtung angesehen wird, war das normale zonale Klima. Ungewöhnlich waren 2021 vor allem die subtropischen Luftmassen, die diesem Tief nun von den Seiten und sogar von Skandinavien zugeführt werden konnten.

Seit den 60er und 70er Jahren drang die subtropische Warmluft zunächst über dem Atlantischen Ozean im Sommer sehr weit nach Norden vor. 2021 kamen auch mächtige Warmluftmassen über dem Balkan und Osteuropa hinzu. Die Dürrejahre 2018 und 2019 waren im Juli hingegen durch einen Hochdruck- bzw. Warmluft-Vorstoß nach West- und Mittelsibirien gekennzeichnet.


Die Niederschlagsereignisse in den westdeutschen Mittelgebirgen und der Zülpicher Börde könnten als eine bloße Extremsituation mit einem Wiederkehrintervall von 100 Jahren oder sogar mehr interpretiert werden [DWD, am 21.07.2021].
Das wären sie tatsächlich gewesen, wenn die Prognose einer entsprechenden Klimaerwärmung sie nicht als neue Normalsituation ausweisen würde.


Die "Regenmengen von mehr als 150 Litern pro Quadratmeter in kurzer Zeit", die in der Nacht zum Donnerstag, dem 15. Juli 2021 über großen Teilen Westeuropas niedergingen, waren bisher noch nicht beobachtet worden [KIT, IMK-TRO].

Derartig starke Niederschläge über einem relativ großen Gebiet Europas waren nur wegen des hohen Wassergehaltes der Luftmassen möglich, welcher wiederum auf die erhöhten Potentiale zur Wasserdampfaufnahme und Verdunstung infolge der Klimaerwärmung zurückzuführen ist.


Im Deutschlandfunk betonte ein Spezialist für den Klimawandel, Stefan Rahmstorf, die große Bedeutung der allgemeinen Erwärmung für den Niederschlag: "Schon vor über 30 Jahren haben Klimamodelle vorhergesagt, dass Extremniederschläge häufiger werden, während Tage mit schwachem Regen seltener werden. Das ist eine Folge der Physik: Pro Grad Erwärmung kann die Luft sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen und dann auch abregnen. Weil mehr Wasser an starken Regentagen fällt, bleibt weniger für den Rest der Zeit. Denn der Wasserdampfnachschub durch Verdunstung nimmt nur um zwei bis drei Prozent pro Grad Erwärmung zu und kann daher die Zunahme um sieben Prozent pro Grad nicht ausgleichen. Die Zunahme der Starkregen und Abnahme von Tagen mit schwachem Regen ist inzwischen auch in den Messdaten gut nachgewiesen, vor allem in den mittleren nördlichen Breiten .." [Rahmstorf 16.07.2021]

Der Deutsche Wetterdienst bestätigte, als allgemeiner Trend auch für Deutschland sei beobachtet worden, dass die "Anzahl der Tage mit Niederschlag eher abnimmt, während sich der Niederschlag selbst an den verbliebenen Tagen intensiviert" [DWD, am 21.07.2021].

Das 'Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology' schätzt den Einfluss der Klimaerwärmung auf die Luftfeuchte als noch gravierender ein: angesichts einer Klimaerwärmung in Deutschland um 1,6° C sei eine Zunahme der Aufnahmefähigkeit der Luft für Wasserdampf von bereits 11,5 % anzunehmen. Begleitet wird dieser Prozess durch die rasche Erwärmung und Verdunstung der Oberflächen der Randmeere (Mittelmeer, Ostsee, Nordsee). [CEDIM, am 21. Juli 2021]


In Mittelitalien und auf der westlichen Balkan-Halbinsel hatte es schon im Januar außergewöhnlich hohe Niederschläge gegeben.
Im Monat Juli erhielten auch der Libanon und die benachbarten Länder extreme Niederschlagsmengen, die gegenüber dem langjährigen Monatsmittel von 1951-2000 etwa 500 % erreichten. Gleichzeitig wurde Griechenland von einer Hitzewelle mit vernichtenden Bränden heimgesucht und erhielt nur 20 % der Niederschläge verglichen mit dem Juli-Mittel von 1951-2000. [Wetterkarten des DWD]


Bei der scheuklappenartigen Beschränkung auf die Unwetterkatastrophe in Westdeutschland und den Wahlkampf wurde von keiner Seite auf die wirkliche meteorologische Abnormität des Sommer 2021 hingewiesen. Dies war nicht der Kaltlufttropfen oder das Tief über Mitteleuropa, sondern dies waren die außergewöhnlich weit nach Norden vorgreifenden subtropischen Warmluftmassen, die die westeuropäische Insel sowohl an den Seiten als auch im Süden (mit den Katastrophengebieten am Mittelmeer) umschloss.

Im Mittelmeerraum südlich der Pyrenäen und der Balkangebirge herrschte ebenso wie im skandinavischen Nordwesten eine außergewöhnliche Hitzewelle - beide Wetterlagen gehören gemeinsam zum Syndrom eines extremen Klimawandels.

Hitze verbunden mit apokalyptischen Feuersbrünsten beherrschte den Mittelmeerraum besonders in Griechenland noch wochenlang. Doch auch das hiesige trübe Wetter mit häufigen Starkregen-Ereignissen änderte sich in diesem Sommer nicht mehr.

Übrigens erlebte dabei der Norden Westeuropas nordöstlich von Niedersachsen einen eher trockenen Sommer: Die meisten Sommer-, vor allem aber auch Hitzetage Deutschlands in diesem Jahr erlebten die östlichen Bundesländer. "Am trockensten blieb es mit unter 20 l/m² in der Magdeburger Börde." [DWD, am 30.07.2021]


Schon in den vorangehenden Dürrejahren und nun auch in diesem Nässesommer ist darüberhinaus die bedrohliche Persistenz der Großwetterlagen auffällig.

"Die Kombination aus mehr verfügbarem Wasser in der Atmosphäre und einer zunehmenden Persistenz der Wetterlagen birgt sehr hohes Gefahrenpotential." [CEDIM, am 21. Juli 2021]

Unter dieser Persistenz ist der verzögerte Abzug von Tiefdrucksystemen an der Polarfront der Nordhemispäre und speziell Mitteleuropas zu verstehen. 2018 und 2019 blieben auch die subtropischen Hochs stationär.

Längerwährende antizyklonale und zyklonale Wetterlagen werden mit einem sich verlangsamenden polaren Jetstream in Verbindung gebracht.

Sowohl das Versiegen der Höhenströme als auch das weite Vordringen subtropischer Luftmassen sind auf eine globale Erwärmung bis in die Polargebiete zurückzuführen.


Stärke und Position der Jetstreams sind von den großen Temperatur- und Druckunterschieden subtropischer und polarer Luft abhängig. Da sich zuerst die Polarregionen stark erwärmen, schwächen sich diese Unterschiede und damit der Polar-Jetstream ab.

In Mitteleuropa wandern der Jetstream und die Zugbahn der Tiefdruckgebiete weiter nach Norden.
"... zum anderen begünstigt ein schwacher Jetstream ein stärkeres Mäandrieren der Strömung und damit die Ausbildung von Wellen in der Atmosphäre mit einer großen Nord-Süd-Ausdehnung. Je größer diese Nord-Süd-Amplitude der Welle ist, desto langsamer bewegt sie sich in West-Ost-Richtung (sogenannte Blocking-Wetterlagen) ..." [CEDIM, am 21. Juli 2021]


Das Jahr 2021 war durch die sozusagen persistente Mäandrierung eines Höhentrogs über Mitteleuropa gekennzeichnet. Noch Mitte Oktober beherrschte eine solche Rossby-Welle das westliche Europa, während sich über dem Atlantik und Irland immer noch ein stark geschrumpfter Rücken subtropischer Luft behaupten konnte, der natürlich nicht mehr so viel Feuchtigkeit transportieren konnte wie im Juli [meteociel.fr].


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Bei zunehmender Klimaerwärmung und abnehmender Jetstream-Dynamik könnte sich logischerweise nun auch in den Mittleren Breiten die vertikale (konvektive) Dynamik verstärken, auch wenn hier die Sonneneinstrahlung weniger ins Gewicht fällt als in den Tropen.


Der Luftdruckunterschied zwischen dem sich im Sommer stärker erwärmenden westeuropäischen Festland (natürliches Tief) und dem kühleren Nord-Atlantik könnte beispielsweise monsunale Effekte hervorrufen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Kälte infolge der Aussüßung des Nordatlantiks und des Versiegens des Golfstroms sich nicht gesamtklimatisch auswirken und bis in mitteleuropäische Breiten ausgreifen würde.

2021 war schon durch einen kalten April und ist zur Zeit durch einen frühen und kühlen Herbst gekennzeichnet. Das durch Höhentröge verursachte permanente Regenwetter ließ zuweilen auch die polare Luft verspüren, die offenbar dahintersteckt.
Mit etwa 13 Frosttagen bundesweit war dies seit 1929 "der zweitfrostreichste April" [Karran 2. Mai 2021].


Überzeugend ist das Modell persistent werdender Rossby-Wellen, die den meridionalen Lufttransport zwischen Polarzone und Subtropen verstärken würden - in Jahren mit dominierenden Höhenrücken verbunden mit Hitze und Trockenheit, in Jahren mit dominierenden Höhentrögen verbunden mit Bewölkung und sporadischen starken Niederschlägen.



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