Aktuelle meteorologische Theorien zur Ursache der Starkregen-Katastrophe 2021 (Fortstzg.)




Einleitung
Das flüchtige Tief 'Bernd'
- Bewegungsrichtung der Unwetter
Trogwetterlage, Kaltlufttropfen und Höhentief
- Höhentief und Kältetief
Wetterlage des 'Europäischen Sommermonsuns'
Außergewöhnliche Mengen an 'niederschlagsfähigem Wasser'
Zusammenhang mit dem Klimawandel
Quellenangaben




Wetterlage des 'Europäischen Sommermonsuns'


Das Modell, dass Starkregen gleichsam von oben durch polare Kaltluft hervorgerufen werden sollen, hat angesichts abschmelzender Grönland-Gletscher etwas zwanghaft antiquiertes.

Sollte man nicht vielmehr annehmen, dass mittlerweile auch die europäischen Landmassen durchziehende Tiefs durch Hitze von unten verstärken können und dadurch einen Sog auf feuchtigkeitsbeladene Atlantikluft ausüben!
Man darf dabei den Blick aber nicht ausschließlich auf die nordwesteuropäischen Empfänger der Wassermassen richten. Die auslösenden Hitzetiefs könnten 2021 die von Dürre und Feuersbrünsten heimgesuchten Mittelmeer-Anrainer gewesen sein.


Rhein bei Brohl

Monsun am Mittelrhein. Brohl, 18.7.2021 © STH.


In der meteorologischen Literatur [Wiedersich 2003, S.210] wird als 'Europäischer Sommermonsun' ein Phänomen beschrieben, das durchaus Ähnlichkeiten mit dem sommerlichen Wettergeschehen des Jahres 2021 aufweist.

Seine Ursache ist ein starkes Hitzetief in weiter südlich gelegenen Klimagebieten, das Luftmassen aus dem nördlichen Atlantik anzieht.
Ein klassischer 'Europäischer Sommermonsun' begann ab Ende Mai, wenn sich über dem Persischen Golf ein starkes Hitzetief aufbaute, das permanente Azorenhoch aber bis aufs westliche Mittelmeer ausgriff [Wiedersich 2003, S.210].
Das führte dann zu einer Strömung relativ nasskalter Luft aus dem Nordwesten, die den ganzen mitteleuropäischen Sommer bis in den August prägen konnte.
Angekündigt wurde ein solcher verregneter Sommer durch die Bauernregel eines nasskalten Siebenschläfer-Tages am 26. Juni.
Der 'Europäische Sommermonsun' war auch bekannt dafür, in Staulagen bzw. am Alpenrand zu Dauerregen zu führen.


Monsunale Wetterverhältnisse könnten vielleicht auch zustandekommen, wenn infolge des Versiegens des Golfstroms das Islandtief durch eine Kälteinsel ersetzt würde. Schon das westeuropäische Festland wäre dann vergleichsweise sehr warm und könnte als Tiefdruckgebiet permanent Feuchtigkeit anziehen. Doch würde die Luft des kalten Nordatlantiks während großer Teile des Jahres wohl nur genug Feuchtigkeit für ein Nebelklima transportieren.




Inhaltsverzeichnis



Außergewöhnliche Mengen an 'niederschlagsfähigem Wasser'


Die warme Luft der Tropen oder der hiesigen Sommer liefert höhere Regenmengen als es die Wolken kalter Regionen vermöchten. Das Niederschlagsäquivalent ('precipitable water') der Tropen belief sich auf > 40 mm, das der Mittleren Breiten im Sommer auf 20 – 30 mm und im Winter auf nur 5 – 15 mm [Nolzen 1988]. Davon kann nur ein Bruchteil kondensieren, die lokalen Niederschläge speisen sich aus der Zufuhr immer neuer Wolken.


Auf einer aktuellen Webseite wurde vermeldet: "In unseren Breiten kann das Niederschlagbare Wasser Größenordnungen zwischen 30 und 50 mm erreichen, bei speziellen Lagen auch noch etwas mehr. Werte um 50 mm waren in der vergangenen Woche über Mitteleuropa häufig vorhanden!" [Steffen Dietz, uwr.de]


Die visualisierten Satelliten-Daten bei  earth.nullschool.net  signalisierten, dass das 'Total Precipitable Water' am Morgen des 14. Juli im Tropengürtel mit Indien das Maximum von 70000 kg/m² erreichte, im Rheinland aber immerhin 42000 kg/m².


Es wird angenommen, die hohen Niederschlagsmengen hätten sich infolge des großräumigen Strömungsverlaufes von Tiefs vom Mittelmeer über den Westbalkan über die Ostsee zurück nach Westdeutschland ergeben [CEDIM, am 21. Juli 2021]. Diese Theorie wird mit der Visualisierung des ausfällbaren Wassers am 14. Juli in einer 700 hPa-Höhenkarte untermauert: Die größten Mengen potentiellen Regenwassers (deutlich über 40 mm) sammelten sich entlang der Ostsee an. [CEDIM, am 21. Juli 2021, Abbildung 5]
Die Ostsee war zum damaligen Zeitpunkt um bis zu 7° wärmer als im langjährigen Mittel.


Der Transport warmer Mittelmeerluft gegen den Uhrzeigersinn in einem Tiefdrucksystem über Mitteleuropa soll diese zusätzlich über der Ostsee und der Nordsee mit Feuchtigkeit aufgeladen haben. Nach Auffassung des Meteorologen Björn Goldhausen ist durch die wärmere Luft aus dem Ostseeraum und die kältere Luft der Nordsee eine Konvergenz entstanden: "Wind strömt aus unterschiedlichen Richtungen zusammen, dort steigt die Luft auf. Diese Konvergenz reichte über das südöstliche Ruhrgebiet, Bergisches Land, Sauerland bis runter zur Eifel. Und weil die Luft in dieser Konvergenz warm und feucht ist, konnte sie super viel Wasser aufnehmen – es schüttete über Stunden." [Interview von Anke Mersmann in: Rhein-Zeitung 17. Juli 2021]


Dass das Tief 'Bernd' auch Atlantikluft aus dem Westen heranführte, scheint für die Niederschlagsintensität von Bedeutung zu sein: "Von Westen wurde gleichzeitig kühlere Atlantikluft herangeführt. Am Mittwoch steuerte Tief 'Bernd' nun die warme Mittelmeerluft von der Nordsee und Osteuropa her zurück nach Süden, wo sie über Westdeutschland und Benelux über die kühlere Luftmasse südwärts aufstieg, was zu den extremen Niederschlagsmengen führte." [Grams/ Quinting 16.07.2021]


Laut "Météo France" hat sich hingegen ein Kaltlufttropfen, der über dem Südwesten Deutschlands blockiert wurde, nur langsam bewegt und große Mengen feucht-heißer Luft aus dem Mittelmeerraum angesaugt. Diese hätten die ungewöhnlich hohe Menge von 45 mm niederschlagsfähigen Wassers enthalten. [Météo France, 16. Juli 2021]


Laut Deutschem Wetterdienst ist vom 12. bis 15. Juli zusätzlich zu dem Tiefdruckgebiet über Mitteleuropa vom Westen her ein Höhentief getreten, das warme und stark mit Feuchtigkeit geladene Mittelmeerluft transportierte [DWD, am 21.07.2021].

Aus einer solchen Aussage wäre zu schließen, dass Luftfeuchtigkeit in ziemlich großer Höhe über weite Strecken transportiert werden kann.
Kaltlufttropfen dürften sich in > 8 km, Höhentiefs in > 5 km Höhe bewegen; die 700 hPa-Höhenkarte bildet die Verhältnisse in etwa 3 km Höhe ab.

Doch sind andererseits Höhentiefs den physikalischen Bedingungen entsprechend von kalter Luft geprägt und könnten demnach nur relativ wenig Feuchtigkeit transportieren. Die könnte allerdings wie im Falle von Bodentiefs von benachbarten Hochs stammen, da ein Höhenhoch durch seine relative Wärme definiert ist.

Oder aber die Feuchtigkeit müsste auch in diesem Falle konvektiver Luftbewegung entstammen.




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